von Adrien Verrecchia, Bastien Poupat sowie Benoit Taix
352 Seiten, Hardcover
Die deutsche Ultrabewegung hat ihre italienischen Wurzeln neu für sich entdeckt. Veröffentlichungen in Fanzines sind sprunghaft angestiegen, ebenso können zahlreiche deutsche Gruppen Freundschaften zu ihren italienischen Pendants aufweisen. Dabei war in den Anfängen der deutschen Ultrabewegung der Blick nach Frankreich für viele Pioniere eine ebenso große, wenn nicht sogar größere Inspirationsquelle. Die Ganzstadion-Choreografie der Bordelais im Europapokal gegen Bayern München war ein entscheidender Anstoß für die damalige Bayern-Szene, sich zu organisieren und damit die Grundlagen für die spätere Ultrabewegung zu schaffen. Ähnlich dürfte es in Bremen gewesen sein, die in den Genuss kamen, legendäre Gruppen wie das Commando Ultra ’84 und die South Winners ’87 beim Spiel gegen Olympique Marseille im Weserstadion erleben zu dürfen. Karlsruhe und Strasbourg waren schon vor der Gründung der Phönix Sons ’99 eng miteinander verbunden. Kurzum, die Wurzeln der deutschen Bewegung liegen nicht nur südlich der Alpen, sondern auch im westlichen Nachbarland.
Allerdings findet die französische Ultrabewegung nicht den gleichen Widerhall wie derzeit die italienische. Daher war es uns ein Herzensprojekt, das – in unseren Augen – hervorragende Buch von Bastien Poupat, Benoit Taix und Adrien Verrecchia der deutschen Leserschaft zugänglich zu machen. Warum hervorragend? Weil die Autoren die Mühen auf sich genommen haben, ihre eigene Tour de France abzureißen und sich in knapp zwanzig Städten mit Vertretern der dortigen Ultrabewegung zu unterhalten. Das Ergebnis dieser Mühen ist bewusst neutral gehalten, aber dennoch ebenso unterhaltsam wie informativ. Die Geschichte der französischen Ultrabewegung von Bastia bis Lille und Nantes bis Strasbourg wird nachgezeichnet. Dabei zeigt sich ein facettenreiches Bild der französischen Bewegung, die sich bei allen grundlegenden Gemeinsamkeiten den regionalen und kulturellen Gegebenheiten der einzelnen Städte angepasst hat.
Ebenso wie Philippe Broussard in seinem Buch Génération Supporter (die Bibel der französischen Pioniere) gelingt es den Autoren, auch die Akteure hinter dieser Bewegung zu zeigen. In den Interviews spiegelt sich auch die aktuelle politische Situation Frankreichs wieder, wo noch mehr als in Deutschland Sicherheit vor Freiheit gestellt wird und die dortigen Ultras mit Repression zu kämpfen haben. Wobei es auch in dieser Hinsicht aktuelle Entwicklungen gibt, die es wenigstens zur Kenntnis zu nehmen lohnt. Die große Stärke der deutschen Ultrabewegung ist ihre überregionale Vernetzung. Wir hoffen, dass das Buch auch in dieser Hinsicht einen Beitrag leisten kann, sie weiter zu entwickeln bzw. zu festigen. Außerdem sind wir mächtig stolz darauf, dass es sich bei der deutschen Fassung des Buches um ein grenzüberschreitendes Gemeinschaftsprojekt handelt. Fast alle deutschen Szenen, die eine Freundschaft nach Frankreich pflegen, haben sich an der Übersetzung beteiligt. Allen Bedenken über die eigenen Französischkenntnisse zum Trotz und außerdem unentgeltlich. Auch französische Freunde wurden eingespannt, in einem Fall wurde sogar ein Übersetzer für das Kapitel über seine eigene Gruppe rekrutiert. In diesem Sinne ist dieses Buch in seiner deutschen Fassung auch ein Geschenk an die befreundeten Gruppen in Frankreich und ganz allgemein ein Dank an die französischen Ultras für die Inspiration über die letzten zwanzig Jahre hinweg.
|