Im Januar erschien die mittlerweile dritte Ausgabe von der Republikflucht. In dem Heft schreiben die vier Autoren aus Frankfurt/Oder und Cottbus über die Erlebnisse auf ihren Fußballreisen rund um den Globus, welche sie mit fantastischen Fotos ausschmücken. Und damit Ihr Euch ein Bild von den Herausgebern machen könnt, stellte sich mit Thomas einer der Autoren meinen Fragen.
Vor einigen Wochen ist bereits die dritte Ausgabe Eurer Republikflucht rausgekommen. Was erwartet den Leser im aktuellen Heft?
Ihn erwartet das bisher beste Heft! Italien, Polen, Balkan, Griechenland, Südostasien, Schweden, Türkei – darunter Exotenkracher wie das Derby in Niksic und Adana. Da sollte jeder fündig werden. Das alles auf 126 farbigen Seiten, untermalt von ungezählten Top-Fotos, sowie einigen Spezialseiten. Zum Beispiel Rezensionen anderer Zines, Graffitis und natürlich Mädels aus aller Welt.
Wie seid Ihr eigentlich auf den Namen Republikflucht gekommen?
Für denjenigen, der aus dem Osten kommt, erklärt sich das von selbst: Republikflucht hast du vor der Wende begangen, wenn du unerlaubt die DDR-Grenze überschritten hat. Unerlaubt müssen wir das heute zwar nur noch wenn die Alte was dagegen hat oder Oma Geburtstag feiert, aber da wir alles Ostkinder sind, war das für uns der perfekte Name. Eine Hommage an alte Zeiten sozusagen und ein Gruß an unsere Eltern, die vielleicht auch deshalb so interessiert an unseren Touren sind, weil sie selber früher nicht so reisen konnten.
Wie wählt Ihr die Spiele für Euer Heft aus und was sind Deine persönlichen Highlights?
Kommt immer ganz aufs Reiseziel an. Wenn´s mal wieder rüber nach Polen geht, gucken wir danach wo was los ist. Gleiches gilt für Italien, Serbien usw. – wobei man da auch mal paar Kraupen mit einsackt, die auf dem Weg liegen. In Thailand, Laos, Kambodscha und überall wo eh nicht viel zu erwarten ist, zählt dafür einfach das Erlebnis des rollenden Leders in exotischen Gegenden. Grundsätzlich sind wir sicher keine Typen, die die vierte Kreisklasse Wanne-Eickel komplettieren. Im Fokus stehen Spiele, wo auf den Traversen was geboten wird – kann daher auch mal vorkommen, dass wir zum dritten oder vierten Mal ins selbe Stadion fahren.
Um dem Heft-Titel gerecht zu werden, wären theoretisch ja auch Spiele in Westdeutschland denkbar. Deutschland interessiert uns generell, bis auf ganz wenige Ausnahmen, aber wirklich gar nicht. Das Warum zu beantworten, würde hier sicher den Rahmen sprengen.
Orientiert Ihr Euch an anderen Heften?
Zumindest nicht absichtlich. Den Vergleich zum Grenzgänger haben wir jetzt schon öfter gehört, das hat aber wohl mit dem hohen Polenanteil im Heft zu tun. Ansonsten machen wir unser eigenes Ding, auch weil wir uns optisch austoben wollen und daher auch kein Schwarz-Weiß-Heft für uns in Frage kommt – was aktuell ja Usus ist. Soll überhaupt nicht heißen, dass solche Hefte schlecht sind, im Gegenteil! Die besten Zines sind ja schwarz-weiß, siehe Dröhnbütel oder Beziehungskiste. Zeigt aber, dass wir diesbezüglich kein Vorbild haben. Textlich guckt man natürlich, ob man sich bei den ‚Meistern‘ nicht doch mal ´nen Kniff abgucken kann.
Welche Fanszenen haben Dich bisher nachhaltig beeindruckt?
Delije – Roter Stern Belgrad, an der Antwort führt nichts vorbei. Die Besuche bei Legia Warszawa und Aris Saloniki werde ich so schnell sicher auch nicht vergessen. Górnik Zabrze höre ich mir immer mal gerne an, AS Rom hat mich vor kurzem Italien mit neuen Augen sehen lassen, und dann gibt´s in Polen noch paar Banden, die mich, gemessen an Stadtgröße und Konkurrenz, mit top Auftritten überzeugt und überrascht haben. Beispielsweise: Góral Zywiec, Karkonosze Jelenia Góra und Szombierki Bytom.
Was treibt Dich eigentlich an, Deine Wochenenden in Flugzeugen und Bahnen zu verbringen, um irgendwo auf der Welt ein Fußballspiel zu sehen?
Das könnte ich jetzt nüchtern mit meinem Stadionverbot begründen. Ist sicher zu ´nem großen Teil auch so, weil mir dadurch (leider) viel Zeit gegeben ist – nur ist das nicht die ganze Antwort. Auch ohne SV würde ich neben den Spielen meines Vereins ins Ausland reisen. Ich will die Welt sehen, neues Erleben, mir ein eigenes Bild von Dingen, Städten, Stadien und Gepflogenheiten machen. Ob das Gewusel ´ner asiatischen Metropole oder die Ruhe der Vorkarpaten, spannend wird´s ja wenn dort der Ball rollt – da siehst du erst, welche Rolle da der Fußball spielt. Ich glaube, das ist der Hauptaspekt dabei. Man kann hundert Bücher über ein Land oder ´ne Region im Schrank haben, dutzende Szene-Interviews lesen und sich Terabytes an Bildern runterladen – solange man es nicht selber gesehen hat, hat alles doch nur den halben Wert. Das Alles auf Kamera festzuhalten ist dann ein weiterer Aspekt, da ich gerne alles Mögliche fotografiere. Ich ärgere mich zu Tode, wenn ich irgendwo hin wollte, aber nicht gefahren bin und am nächsten Tag Bilder von Choreos, Pyro oder Spielabbrüchen sehe. Demzufolge gebe ich mich auch mit keinen schnell geschossenen Handyknipsereien zufrieden – das spiegelt sich übrigens auch im Heft wieder.
Welche Stadien oder auch Regionen willst Du unbedingt noch bereisen und warum?
Habe letztens gelesen, dass das CL-Finalstadion von 1991, in Bari, vor´m Rückbau oder sowas steht. Das darf nicht passieren, bevor ich da nicht war – ein Wahnsinns-Konstrukt! Viele andere die ich auf der Must-have-Liste hatte, haben sich inzwischen leider erledigt, wegen Umbau oder Abriss – Marseille, Mielec, Nizza, LKS Lódz. Nur um mal ein paar zu nennen.
Schwarzafrika reizt mich tierisch. Habe da immer Bilder von monströsen Ovalen ohne Sitzschalen, irgendwo in der Prärie im Kopf, wo sich hunderttausend Leute drängen. Alleine in so ´nem gigantischen Stehplatzstadion zu stehen, will ich noch erleben. Fantechnisch reizen mich Indonesien und Malaysia, die aktuell ´nen richtigen Boom erfahren und bald mehr als ordentliche Kurven zu bieten haben werden. Gerade in Indonesien ist das ja aber schon länger der Fall.
Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?
Puh, wahnsinnig schwere Frage. Ich bin geneigt zu sagen ‚alles‘ – was einerseits Quatsch ist, mir andererseits aber wirklich nicht viel Positives einfällt. Das klingt jetzt zwar nach Phrasengedresche, aber in erster Linie müssten der Respekt und die Loyalität gegenüber den Fans wieder größer werden. Sich auf die Wurzeln des Sports zu besinnen, würde allen gut tun, nicht nur den Verbandsbossen und Vereinsvorständen. Inzwischen ist die Geldmaschinerie Fußball ja aber so verworren und verkorkst, dass Veränderungen zum Positiven viel zu utopisch scheinen.
Wenn ich aber tatsächlich was ändern könnte, dann wäre das, den Intertoto-Cup wieder einzuführen. Um kleinen Vereinen das Feeling von Europacup zu geben und weil´s unter den Bedingungen von damals die wahrscheinlich realistischste Chance wäre, Energie Cottbus heute (nochmal) international zu erleben.
Welche anderen Magazine würdest Du empfehlen und warum? Gibt es vielleicht auch Bücher zum Thema, die Du gerne gelesen hast?
Zu aller Erst die Klassiker: Dröhnbütel, Beziehungskiste und Hopp Hard. Die sind textlich einfach grundsolide und machen Spaß. TedStrikers ‚Im Norden des Südens‘ MUSS man gelesen haben! Das Feeling beim Lesen fetzt einfach – als ob ich neben ihm auf der schlammigen Straße in Guyana gelaufen bin. Außerdem ist das ‚Unterwegs‘ vom Gruber Josef feinste Bildungsliteratur. Und für die Polskafreaks, die, wie ich, paar Jahre zu spät dran sind, müssen sämtliche ‚Pseudokibicow‘-Ausgaben in die Sammlung – um zu lesen, wie der Hase da drüben damals wirklich lief!
Schreibe einen Kommentar