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Geschrieben von Stephan am 16. Oktober 2014

Aktuell gibt es einige interessante Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt. Dazu gehört auch das Erstlingswerk von Florian Ludwig mit dem Titel ‚Mit Fußfesseln bin ich nicht so flott‘. Darin schreibt der Autor über seine Erlebnisse rund um Tennis Borussia, die mobile Altenpflege, in der Zeit als Hausbesetzer und seiner Knasterlebnisse in Berlin-Moabit. Was Ludwig selbst über sein Buch denkt und wie er so tickt, dass gibt es im folgenden Interview zu lesen.

Hallo Florian, in den vergangenen Tagen ist Dein erstes Buch erschienen. Wie zufrieden bist Du mit diesem und hast Du eventuell schon erste Reaktionen erhalten?

Na es ist mein Erstlingswerk und ich freu mich natürlich, dass es mit der Veröffentlichung geklappt hat. Zum Glück geben sich die meisten Verlage ja heutzutage mit einer Manuskripteinsendung per E-Mail zufrieden, sonst hätte mich das ne Menge Briefmarkengeld gekostet. Mit meinen Geschichten bei Trolsen zu landen, also ‚diesem Hooliganverlag‘, hat was und ich bin gespannt, was sich daraus entwickelt. So, wie das Buch jetzt auf dem Tisch liegt, bin ich zufrieden. Ich finde mich, wie ich ticke und das, was ich zu erzählen habe, wieder.

Die ersten Exemplare hatte ich eine Woche vor dem offiziellen Erscheinungstermin an einem Freitagabend im Mommsenstadion angeboten. War so ein erster Test wie es ankommen würde und ich war ein bisschen angespannt. Im Endeffekt hat alles gepasst, Flutlicht, Dauerregen, 6. Liga und ich bin mit leerem Rucksack wieder abgedüst.

Mit Fußfesseln bin ich nicht so flott Die Reaktionen waren in den ersten Tagen der Veröffentlichung natürlich überschaubar, bedienten aber schon die volle Bandbreite. Meistens im direkten Geplauder, selten um drei Ecken, ein bisschen twitter und Fratzenfiebel. Von, „Geil! Schreib mal noch eins.“, bis, „…billiger Berlin-Abklatsch und dann noch beim Hool-Verlag.“, war alles dabei. Die meisten Leseratten fühlten sich bis jetzt aber gut unterhalten.

Was Lesungen betrifft, läuft es gut an, als ‚Vorband‘ von Pascal Claude (Zürich/knappdaneben.net/45football.com) habe ich im Schokoladen drei Geschichten mit Fußballbezug vorgelesen. Ich freue mich auf die Buchpremiere im BAIZ, wo ich in einen Themenmonat eingebettet bin. 25 Jahre Mauerfall, Geschichten jenseits der offiziellen Propaganda. Es geht um die emanzipativen Momente der sogenannten Wende. Im November lese ich bei der Berliner FAU, einer linken Gewerkschaft. Dort hoffe ich, mit den Storys über meine Altenpflege- oder Praktikantenerfahrungen zu unterhalten. Mit einem Kulturcafé in Kaiserslautern bin ich in Kontakt, das wäre natürlich lässig, auch mal überregional anzutreten.

Könntest Du kurz beschreiben, was den Leser in Deinem Werk erwartet.

Als ich damit begonnen hatte, über das zu schreiben, was ich so erlebe und daraus irgendwann die Idee mit dem Buch entstand, habe ich schnell gemerkt, dass das, was ich erzähle, kein bestimmtes Milieu bedient, sondern über verschiedene Äcker pflügt. Es ist kein reines Polit-, kein Fußball- oder Krawallbuch, es ist von allem ein bisschen. Ohne zu polarisieren, ohne zu moralisieren.

Die Hauptstory dreht sich in drei Teilen um meine ‚Karriere‘ als ‚Feierabendterrorist‘. Großer Lauschangriff, Sondergericht, Knast. Wegen angeblich versuchter Brandstiftung an Bundeswehrkarren und vermuteter Mitgliedschaft in einer linksradikalen ‚Vereinigung‘ hatte ich mir drei Jahre ohne Bewährung eingefangen. Doch was ich im Buch erzähle, ist eher das Drumherum und der unfreiwillige Witz, der auch in so einem krassen Lebensabschnitt durchaus lauert. Der als Justizbeamter arbeitende Unioner, die BKA-Azubis auf den Pressebänken, die speckige Gerichtskantine…

Die anderen Geschichten drehen sich um Fußball und linke Subkultur, um Verwandtschaften und Umschulungen, um prekäre Arbeitswelten und schrulligen Alltagsboogiewoogie.

Wie hast Du eigentlich Berlin in den 90er Jahren empfunden?

Über die Frage muss ich etwas grinsen. Ich sehe meine Veröffentlichung nicht als Berlin-Buch, die Geschichten könnten genau so auch in Leipzig, Lübeck oder Luckenwalde passiert sein. Es ist eher so ein Berlin/Brandenburg Ding, beim ‚Stacheldraht‘-Konzert in Neuruppin habe ich mich seinerzeit genauso gut aufgehoben gefühlt, wie bei ‚The Business‘ in Kreuzberg. Die Dialoge im Buch habe ich größtenteils mit Dialekt verfasst, so wie die Leute eben reden, egal ob in Pankow oder in Schwedt. In Brandenburg wird ja manchmal schlimmer ‚Berlinert‘ als in Berlin selber, wenn auch mit ‚leicht depressivem Einschlag‘. Aber naja, wie oft hab ich einen Thüringer schon als Sachsen abgestempelt…

Die 90er insgesamt hab ich so empfunden, dass viele Subkulturen noch freier waren, nicht so vom Kommerz überrollt waren, wie heute. Punkrock ist doch heute selbst auf BWL-Studenten-Partys hip. Diese ganzen Hoschies, die unbedingt in einem sogenannten Szenebezirk wohnen müssen, weil es in ihrer Vita gut aussieht, gehen mir tierisch auf den Sender. In seinem Buch: ‚Morgen werde ich Idiot‘, hat es Hans-Christian Dany gut auf den Punkt gebracht. Da heißt es sinngemäß, dass die heutige Gesellschaft es schafft, einem Großteil ihrer Mitglieder das Gefühl von Individualität zu geben und sie gleichzeitig zu System konformen Gruppen zu manipulieren. Mit anderen Worten, viele finden es lässig, wenn sie aus dem Fenster ihres Eigentumslofts gucken und eine Straße voll mit Graffiti und schrägen Typen sehen. Aber eben auf der Straße und nicht in den eigenen vier Wänden. Diese Scheinidentifikation mit verschiedenen Freiräumen, bei gleichzeitigem Zertreten der vorhandenen Realitäten, das war in den 90ern sicher nicht so ausgeprägt wie heute.

Wie sah damals Dein Leben als Hausbesetzer aus?

Lange schlafen, Pflastersteine schmeißen, Billigbier trinken…

Soweit zur Ironie.

Ich bin froh diese Erfahrungen gemacht zu haben. Richtig besetzt war ja eigentlich nur das Haus in Potsdam, um das es auch im Buch geht. Die anderen Häuser waren ex-besetzte, mit Verträgen ausgestattete, Projekte. Es ist eine Erfahrung jenseits des klassischen Weges – Karriere, Familie, alle vier Jahre wählen gehen – gewesen. Ich übte mich im Müßiggang oder holte mein Abi nach, vom Einkaufen brachte ich 30 statt 5 Schrippen mit und in einer hauseigenen Vereinskneipe stand ich vor oder hinterm Tresen. Mit mehreren, zum Teil völlig unterschiedlichen, Leuten zusammen unter einem Dach zu leben, ist mehr als nur zusammen wohnen.

Dein Verein spielt aktuell in der sechsten Liga. Kannst Du erklären, was die Faszination Tennis Borussia für Dich ausmacht und wie bist Du damals zu TeBe gekommen?

Zu meinem ersten TeBe-Besuch bin ich 97/98 über das damalige Türkiyem-Fanzine ‚Victory‘ gekommen. Da gab es einen Vorbericht zum Spiel gegen Union. Es war ein schräger Abend, steht alles im Buch. Bin dann öfter hin geschlichen, habe Bekannte getroffen und Leute kennengelernt. In der zweiten Bundesliga habe ich öfter Auswärtswahrten mitgemacht, das legendäre 4:2 gegen Hertha im DFB-Pokal nicht nur im Stadion, sondern auch großmäulig in der U-Bahn besungen. Irgendwann war ich mittendrin in der kleinen Szene. Wenn unser kleiner Mob auswärts auf Hass und Ablehnung traf, begegneten wir dem mit Ironie und Witz. Das war lässig, ist ja heute teilweise noch so. Für viele war und ist TeBe der Bonzenverein ohne Fans. Und plötzlich kamen wir, mit unseren pointierten Gesängen und ‚Arbeitsscheuer Ostler‘- Shirts. Viele sogenannte ‚traditionelle‘ Fanszenen konnten damit nicht umgehen und reagierten üblicherweise mit Sabbern und Knurren.

Was glaubst Du, wird TeBe in den kommenden Jahren erreichen?

Nach der letzten Insolvenz ist der Verein ja vollständig umgekrempelt worden. In Vorstands- oder Aufsichtsratspositionen sitzen solide Leute, mit denen man teilweise auf Oi- oder Ska-Konzerten zusammen Bier trinkt oder befreundete Vereine wie Altona 93 besucht. Teile der Spieltagsbetreuung oder auch der Ordnerdienst werden von Fans organisiert, es gibt wieder ein Fanzine, das ‚Messeblatt‘ und mit TBAF hat die aktive Fanszene eine eigene Abteilung im Verein. Vielleicht eine solide Basis, um in ein paar Jahren mal wieder in der Regionalliga zu kicken, für mich derzeit die attraktivste Spielklasse.

Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?

Naja, wenn ich könnte, würde ich eine Firewall um den Amateurfußball bauen, damit es weiterhin lustig, randständig und bezahlbar bleibt. Als Fußballhotte will ich gar nicht in den Bundesligazirkus und hoffe, dass die unteren Spielklassen nicht von irgendwelchen ‚Kreativ‘-Kaspern mit marktorientiertem Scheiß durchsetzt werden, nur weil sie meinen, eine Marktlücke entdeckt zu haben. T-Shirts mit Aufdrucken wie ‚Fußball gucken – da wo`s weh tut‘ oder ähnlichen Müll würde ich nicht tragen.

Welche anderen Magazine und Bücher zum Thema Fußball würdest Du empfehlen und warum?

Ich bin Anhänger der Fanzine -Kultur, absolut! Da fällt mir als erstes das ‚all to nah‘ von Altona 93-Jan ein. Sehr gut gemacht und ihm scheinen die Ideen für Neues nie auszugehen. Witzig und schick finde ich den ‚Zugriff‘ vom BFC. Schönes Beispiel für eine Fankultur, wie ich sie gut finde. Das ‚Messeblatt‘ ist aber, ganz klar, die bundesweite Fanzine-Nr. 1 für mich.

An Büchern fällt mir als erstes ‚The Boys from the Mersey‘ ein. Hebt sich angenehm ab von so einigen anderen Fanbüchern aus England und erzählt die Geschichte des FC Liverpool aus der Sicht eines Fans absolut spannend.

Andreas Gläsers ‚Der BFC war Schuld am Mauerbau‘ finde ich gut, alleine schon wegen der Aussage, dass Fußballfans an Ketten ziehen und sich nicht welche anlegen lassen sollten. Aktuell lese ich gerade ‚Viele Grüße aus dem Stadion‘ von Pascal Claude. Klasse Buch!

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Ein Kommentar zu “Interview mit Florian Ludwig von Mit Fußfesseln bin ich nicht so flott”

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