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Interview mit Mirko Otto von der Beziehungskiste
28. Februar 2014 Interviews

Am kommenden Montag oder Dienstag sollten die Kartons mit der 13. Ausgabe der Beziehungskiste im Lager eintreffen. Um die 128 Seiten des neuen Heftes zu füllen, waren die Zwickauer unter anderem in Argentinien, Kenia, Uganda, Tansania, Sansibar, Tschetschenien und Dagestan unterwegs. Mehr zu neuem Heft verriet mir Herausgeber Mirko Otto in dieser Woche.

Hallo Mirko, nach längerer Pause zwischen der neunten und zehnten Ausgabe geht es bei der Beziehungskiste mittlerweile wieder Schlag auf Schlag. Ist die Lust am Schreiben zurückgekehrt?

Hallo Stephan. Nicht unbedingt die Lust am Schreiben, sondern frischer Wind durchzieht derzeit die Zwickauer ‚Groundhopping-Szene‘. Junge Leute, aber auch paar altgediente entdecken plötzlich wieder die Lust am Reisen und Fußball gucken auf fremden Plätzen. Dadurch steigt natürlich auch die Motivation, die gemeinsam erlebten Schoten und Geschichten den Daheimgebliebenen schriftlich zu präsentieren. Und was für mich, als den ältesten Autoren ein sehr schöner und positiver Nebeneffekt ist: Ich werde entlastet und muss nur noch vielleicht zwei bis drei Berichte pro Monat schreiben, wodurch die Lust, mal wieder in die Tasten zu hauen, steigt, als wenn da noch 17 offene Berichte aus den letzten drei Wochen auf einen Warten. Da steigt maximal die Frustration. Außerdem zieht sich die Meute so gegenseitig hoch, man ist ja ungern der letzte, der seine Texte noch nicht eingereicht hat.

Die Hefte gehen besser weg als vor der Pause. Wie zufrieden bist Du mit dem Comeback?

War es tatsächlich ein Comeback? Kam mir gar nicht so vor?! Naja, es ist schon richtig, dass die Motivation beim Leser stärker ausfällt, wenn er im Jahr 2014 auch Berichte aus 2014 liest und nicht 2010 sich durch alte Stories von 2008 kämpfen muss. Ich denke etwas Aktualität ist auch bei Fanzines von Vorteil. So bin ich auch absolut zufrieden mit den aktuellen Heften. Man sollte ja auch nicht vergessen, dass wir in Zwickau nur eine kleine Szene sind und da eben vieles auf wenigen Schultern lastet. Da schaut man neidisch nach Hamburg, wo der DB beinahe im Zwei-Monats-Rhythmus erscheint und da auch von grandiose Touren (und nicht nur, hehe) berichtet wird. Wichtig ist dennoch die Kontinuität und ich freu mich sehr darüber, dass die BZK nun seit 2003 stetig erscheint. Ein Ende scheint somit noch lange nicht in Sicht und wer weiß, vielleicht müssen sich Millionär, Rakete und der Prof bald warm anziehen…

Beziehungskiste 13 Was sind für Dich die Highlights der 13. Ausgabe?

Im letzten Moment musste die Nummer 13 noch radikal gekürzt werden. Es war eigentlich schon alles schön angerichtet, doch der Probedruck ergab die einhellige Meinung der restlichen Redaktion: Wenn du das so rausgibst, musst du noch eine Lupe beilegen… Tja, dann wurde letztlich die Schrift doch wieder vergrößert, allerdings kam ich dadurch bei etwas über 160 Seiten raus und habe somit in wenigen Minuten entschieden, einen Cut Ende Oktober zu machen. Dadurch fehlen dann einige nette Anekdoten u.a. aus dem Gästeblock beim Belgrader Derby oder vom Spielabbruch bei Salerno gegen Nocerina. Verschmerzbar, vor allem weil bei 160 Berichten aus 21 Ländern trotzdem noch ausreichend coole Geschichten enthalten sind. Obligatorisch möchte man fast meinen, gibt es einen langen Argentinien-Text. Den hab ich diesmal versucht etwas aufzulockern und bereits vor Ort in Tagebuchform verfasst, ohne später nochmal drin herumzupfuschen. Dazu gibt es zwei Afrika-Trips (jeweils Kenia, Uganda, Tansania und Sansibar), eine sehr lange Reise nach Tschetschenien und Dagestan, Ausflüge nach Kanada, Tadschikistan und ungewöhnlich viele Spielberichte aus Italien. Abgerundet durch die üblichen Texte aus Polen oder Tschechien.

Euer Heft sieht immer noch so aus wie vor etwa zehn Jahren die Erstausgabe: schwarz-weiße und selbst getuckerte Copyshop-Seiten. Besteht kein Interesse, dieses irgendwann zu ändern?

Nee. Solang ich die Führung inne habe nicht. Und je mehr uns darauf ansprechen, desto höher die Motivation stets alles beim Alten zu belassen. Aber im ernst: So wie das Heft jetzt ist, entspricht es eben unserer Vorstellung von einem Fanzine. Klar gibt es auch schöne bunte Hefte, mit tollen Bildern, aber das entspricht einerseits nicht dem Zwickauer Fanzine-Naturell – die Red Kaos-Postille kommt auch weiterhin im harten Old School-Style daher –, andererseits fehlt da auch die Zeit, um da noch wochenlang am schönen Layout zu basteln.

Es gab bereits von einiger Zeit eine Ankündigung zu einem Buch über die polnische Fanszene aus Deiner Feder. Wie sieht es mit dem Projekt aus?

Es zieht sich leider ewig hin. Das liegt aber nicht an der mangelnden Zuarbeit von außerhalb – im Gegenteil. Diese ist wirklich phantastisch. Vielmehr scheitert es aber an mir. Der Aufwand ist einfach immens hoch und der stete Sprung zwischen zwei Sprachen doch sehr ermüdend. Damit das aber kein Projekt bleibt, welches mich lebenslang gefesselt hält, wird es dieses Jahr im November erscheinen, egal wie viel vom eigentlich angedachten Umfang nun fertiggeworden ist. Ich denke es wird so oder so ausreichend sein. Das Thema Polen bietet ein so unglaublich hohes Maß an Geschichten und generell herrscht seit gut zwanzig Jahren eine wahnsinnige Informationsdichte, was zwar einerseits einfach macht aus dem Vollen zu schöpfen, andererseits aber wie das berühmte Fass ohne Boden anmutet. Irgendwann weiß man gar nicht mehr, wo anfangen und wo aufhören.

Welche Ziele stehen in den kommenden Monaten auf dem Programm?

Im März geht’s in Richtung Südostasien. Klassisch wird sich von Vietnam über Kambodscha, Thailand, Malaysia bis Singapur gekämpft. Die Region hat mir bereits vor knapp zwei Jahren sehr gut gefallen und da lag das auf der Hand, den damals nur neuntägigen Trip diesmal etwas auszuweiten. Ansonsten wird im Mai wohl nochmal das Baltikum etwas verdichtet. Mein einstmaliger Besuch vor sechs bis sieben Jahren war vor allem in Lettland und Litauen mit nur jeweils einem Spiel etwas ausbaufähig, also werden eben mal solche Lücken gestopft. Und natürlich wartet ganz Zwickau auf den ersten richtigen Frühlingstag im April, um bei unseren so liebgewonnen Honza-Freunden in Tschechien einzureiten. Spielklasse egal, Hauptsache viele Kicks und Hauptsache der Ball rollt.

Welche Stadien oder auch Regionen willst Du unbedingt noch bereisen und warum?

Aktuell bin ich etwas auf dem ‚alte und bekannte Stadien in Ländern in denen auch mal nicht so viel los ist‘-Trip. So war ich jetzt beispielsweise in Valencia oder im Vicente Calderon, einfach um diese doch legendären und jedermann bekannten Stadien mal gesehen zu haben. Sonst beschwert man sich in drei bis vier Jahren auch hier, dass die Stadien nur noch Marke Einheitsbau sind und die geilen, alten Buden nicht mehr existieren. Im alten Stadien von Panathinaikos war ich vor wenigen Tagen ebenso, sehr beeindruckend, sowohl Atmosphäre als auch Stadion. Ansonsten betrachte ich den Rest relativ nüchtern. Viele Ziele und Wünsche hat man sich mit den Jahren erfüllt und die oftmals stressige Suche nach ‚dem ultimativen Stimmungshighlight‘ gibt es bei mir nicht mehr. Ich würde fast soweit gehen und sagen, dass es mir mittlerweile egal ist, wer spielt. Entscheidend ist auch das drum herum und so ist ein Abend in Belgrad mit Ultras diverser Vereine aus der serbischen Hauptstadt oder eine geile Runde in Polen mit bekannten, aktiven Fans und den daraus resultierenden Gesprächen und Stunden oftmals im Nachgang viel länger im Gedächtnis haften, als das Spiel an sich. Selbstverständlich gibt es in Europa noch paar fehlende Länderpunkte, aber nach Kasachstan oder Nordirland, um mal zwei zu nennen die noch fehlen, fahr ich nicht weil ich so unendlich geil auf Belfast bin, sondern einfach weil es halt noch fehlt. Ansonsten gibt es außerhalb Europas noch zahlreiche Ziele. Japan ist so eins. Oder eine Zugfahrt in den Iran. So schnell gehen die Träume also nicht aus.

Welche Fanszenen haben Dich bisher nachhaltig beeindruckt?

Außerhalb Europas ganz klar La 12 von Boca. Das dortige Potential ist schon eine andere Welt. Ich hab La Doce das letzte Mal im März 2013 in Rafaela gesehen. Diese Ausstrahlung, diese Stärke, die Art die Lieder zu singen. Es war einfach nicht möglich, die Blicke von deren Block zu lösen. Wahnsinn.

In Europa bleibt natürlich Beograd ein Gradmesser, auch in Polen gibt es bestimmt zwei bis drei richtig coole Szenen, wo einfach dieser Stil halt cool ist oder zumindest mir gut gefällt. Ich will aber auch nicht die ‚Leistung‘ kleinerer Szenen schmälern, denn es gibt immer mal wieder coole Kurven die man so sieht. Letztens beispielsweise Savoia in der Serie D in Italien.

Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das und warum?

Schwierige Frage. Ich denke, der Fußball ist auch nur ein Spiegelbild der jeweiligen Entwicklung da draußen und es ist in meinen Augen vermessen mit dem Iphone in der Hand und der Standleitung in alle Welt einen Fußball aus den 70iger Jahren zu fordern. Da müsste man auch selber konsequent sein. Ist man aber nicht. Ich genauso wenig. Natürlich muss hier keinem über die leidigen Veränderungen aus den letzten Jahren erzählen, dass Thema kennt wohl jeder zur Genüge. Ich bin selber auch viel zu weit weg vom Bundesliga-Fußball. Letztens hab ich mal die Süddeutsche aufgeschlagen, da kam ich mir beim Sportteil eher vor wir in der Wirtschaftsbeilage. Ich hab da nur was von Millionen, Geschäften und irgendeinem Deal bei Hertha gelesen. Keine Ahnung, nicht (mehr) meine Welt. Es interessiert mich einfach nicht. Leider macht die Entwicklung auch vor den unterklassigen Vereinen nicht halt. Ohne Moos ist nichts los und wer gut und besser sein will als andere, der muss eben zusehen, dass die Kohle rankommt und demjenigen eine schöne Welt bieten. Störfaktoren mögen da bitte still sein. Im Ausland geht’s dann mit hanebüchenen Verboten und Sicherheitsparanoia noch und nöcher weiter. Tja, was will man da ändern? Ich fürchte das Thema ist an sich durch, leider.

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