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Geschrieben von Stephan am 13. November 2012

Noch in dieser Woche kommt das Buch Il Teppista – Der Rowdy aus der Druckerei. In diesem geht es um die Lebensgeschichte von Nino Ciccarelli, ein Urgestein der ‚Viking‘ Inter. Dankenswerterweise hat uns der Verlag vorab ein Kapitel als Leseprobe zur Verfügung gestellt, damit sich schon jetzt jeder ein Eindruck von dem Buch machen kann:

Kapitel 23: ‚Der Mopedwurf‘

Sie wollen um jeden Preis die Auseinandersetzung. Und die aus Bergamo sind schon seit immer ein organisiertes, ernstzunehmendes, geschlossenes, gefürchtetes und in ganz Europa bekanntes Fanlager. Unter den BG gibt es einen mutigen Kerl. Bermudas, Flip-Flops, ärmelloses Hemd: die finden ihn sogar charismatisch. Er hat aber die dumme Angewohnheit, sich ein bisschen zu sehr in Szene zu setzen. Die Scheinwerfer, die Objektive der Fotografen, die Fernsehkameras, zeigen ihn andauernd mit freiem Oberkörper. Er ist der populäre Anführer jedweder Ansammlung von Atalantini, offiziell oder nicht. Alle respektieren ihn, alle folgen ihm. Er erzählt und predigt über die Ultrà-Mentalität. Die Nordkurve von Inter ist bereit, ihn willkommen zu heißen.

Il Teppista – Der Rowdy – Der redet von Mentalità, aber wo hat der denn gesteckt, als es noch keine Polizeibegleitung gab? – fragen sich die über Vierzigjährigen.

Eben, der Polizeischutz ist das Problem, das es zu umgehen gilt. Und die BG finden die Lösung. Sie beschließen, einfach mit dem Moped zum San Siro zu fahren. Ein gigantischer Umzug aus Mopeds. Im Zeitalter des Internets und der delirierenden Chats unter Computer-Ultràs (das sind die, die sofort abhauen, wenn sie den ersten Bullen sehen) sickern ein paar Informationen durch. Die Interisti glauben die Geschichte nicht, bereiten sich aber trotzdem lieber auf den Besuch vor. Massen brechen in Bergamo auf. Sie sind entschlossen, immer bereit zum Kampf. In Mailand trifft sich die Nord wie üblich am ‚Baretto‘ unter der Kurve.

Inter-Atalanta, Mai 2001, ist kein Spiel wie jedes andere. Die BG sind keine Trottel wie die Gobbi der Juventus, sie sind zäh. Wirklich genau wie ihr Capo. Und am San Siro herrscht eine merkwürdige Atmosphäre. Auf der riesigen Piazzale dello Sport steht der Verkehr plötzlich still. Eine unwirkliche Stille legt sich über den Platz. Aber es fehlt nicht mehr viel bis zum Anpfiff. Der Verkehr ist seit einigen Minuten gesperrt, die Straßenbahnen stehen am Endhalteplatz still, die letzten Familien hasten zu den Eingängen. Die Leute, die da bleiben, richten ihren Blick zum Horizont. Da ist ein riesiger schwarzer Fleck, der näher kommt. Erst zischt er, dann brüllt er, dann donnert er. Sie sind es, die BG. Sie sind viele und sie kommen dem Stadion, geschlossen, immer näher. Die Polizei ist aufgestellt, aber einen Corteo aus Scootern aufzuhalten ist praktisch unmöglich. Nino und seine Gruppe machen sich bereit.

– Hört hin, sie kommen. Los, gehen wir rüber auf die andere Straßenseite, vielleicht erwischen wir ein paar.

BG und Nord stehen sich bald schon Angesicht zu Angesicht gegenüber. Die Polizei ist, dieses Mal, desorientiert. Der Schwarm aus Mopeds rückt bis auf hundert Meter an das ‚Baretto‘ vor. Der Capo der BG umgeht mit einem Dutzend vom harten Kern die Ordnungskräfte. Auch sie fahren ganz ans Ende, wo Nino auf sie wartet. Es scheint der Anfang vom Ende. Stangen, Messer. Nino hält die BG in Schach, die ihm entgegenkommen. Hiebe pfeifen durch die Luft. Da ist ein glatzköpfiger BG, um die Vierzig, der auf Armlänge an Nino herankommt. Ein ungleicher Kampf. Nino steht kurz davor, ihn zu Klopsen zu verarbeiten, aber keiner weicht auch nur einen Millimeter zurück. Ende der Vorstellung: die Polizei greift genau auf diesem Stück Straße an und ein paar Sekunden später ist alles vorbei. Der Glatzkopf liegt auf dem Boden, mit einer Schnittwunde. Ein paar Scooter bleiben übrig, von den BG geparkt. Eins von ihnen gehört ihrem Capo. Für die Nord wird er zum Symbol für die Flucht der Rivalen, zum Skalp, den man dem Feind unter die Nase halten muss. Im San Siro ist das möglich: da gibt es tatsächlich eine äußerst bequeme Rampe, die in den zweiten Oberring führt. Und ein Scooter ist dann auch gar nicht so schwer. Während des Spiels taucht er dort oben auf, im Herzen der Kurve.

– Verbrennen wir ihn vor ihren Augen!

Ein Grüppchen von fünf oder sechs Leuten stürzt sich auf das Moped. Sie bearbeiten es mit Tritten und Schlägen, als ob das arme Gefährt ihre Mütter vergewaltigt hätte. Im kollektiven Rausch degeneriert die Situation. Sie heben den Scooter an und schmeißen ihn hinunter, er rollt gefährlich die Stufen des zweiten Oberrings herunter und steht kurz davor, abzuprallen. Der letzte Hüpfer könnte ihn über das Geländer katapultieren, in den Abgrund, für einen tragischen Sturz in den Unterring, zwanzig Meter weiter unten! Der finale Abpraller wird, glücklicherweise, vom Sattel und der Kante einer der unteren Sitzreihen aufgefangen. Das Moped beendet seine irre Jagd, von den Fernsehkameras in die weltweiten Wohnstuben übertragen, am Geländer. Genau da, wo das Spruchband ‚Wählt Pilati‘ hängt. In Wirklichkeit handelt es sich um ein besprühtes weißes Bettlaken, das ein junger Mann aufgehängt hatte, der für die Lega Nord für den Mailänder Stadtrat kandidierte. Ihm werden am Ende rund hundert Stimmen fehlen… Währenddessen wird die Prügelei mit den Scootern aus Bergamo zum Fernsehspot gegen Stadiongewalt. Politiker werden ihn verwenden, um die Einführung neuer Maßnahmen zur Gewaltprävention zu rechtfertigen. Das sind Spezialgesetze, die sich nicht mehr an den Grundsätzen der staatsbürgerlichen Rechte und der Demokratie orientieren: die Kategorie ‚auf frischer Tat ertappt‘ wird auf 48 Stunden ausgedehnt, Verbot, sich auf italienischem Staatsgebiet frei zu bewegen, sofortiges automatisches Stadionverbot allein durch eine Anzeige, noch vor dem Prozess und daher ohne Möglichkeit, sich zu verteidigen. Als ob man sagt: erst gehst du in den Knast, dann reden wir drüber. Und wer Stadionverbot bekommt (DASPO: Divieto di Accedere alle manifestazioni SPOrtive), hat die Verpflichtung, immer auf der Wache eine Unterschrift zu leisten, wenn seine Mannschaft spielt. Also vierzig bis sechzig Mal pro Jahr! Der geniale Einfall mit den Scootern übersetzt sich in ein vernichtendes Eigentor für die Leute aus der Kurve und eine Vorlage für bestimmte Journalisten. Denn in einer Presselandschaft, die sich zum größten Teil politischen und finanziellen Interessen verkauft hat (keine italienische Zeitung kann nur von ihren Lesern leben), können sie sich nur noch an den Kurven und (wahrscheinlich) gedopten Radrennfahrern austoben. Mittelalterliche Strafen werden wieder modern. 2010 wird der Capo der BG verbannt, ins Exil geschickt. Wie Dante. Die üblichen straffreien italienischen Familien treiben, auf den Rücken der Menschen, natürlich weiterhin ihr Unwesen.

Den Ultràs bleibt nur der Zorn. Und Nino ist, nach dem wahnsinnigen Sonntag der Scooter, wütender als jemals zuvor. Er ist sauer auf die Jungs, die den Scooter die Ränge hinuntergeworfen hatten und vor allem auf die BG. Er, der im Stadion aufgewachsen ist weiß, dass es jetzt mit der Repression losgeht.

– Alles Schuld dieses beschissenen Säufers. Der und seine Ideen. Wie gern ich ihn nur für ein paar Sekunden zwischen die Finger bekommen würde. Nur ich und er…

Die Gelegenheit, sich wiederzusehen dreht sich immer um einen Fußballplatz. Diesmal weit weg vom Scheinwerferlicht, weit weg von den Millionen der Profis. Die Mannschaft von Bonate kommt nach Cologno, ins Mailänder Hinterland: Amateursport in Reinkultur. Für Bonate spielt ‚der da‘, der BG von der Provokation mit den Mopeds unter der Nordkurve des San Siro. Und die Kurve darf nicht fehlen beim Spiel von Bonate in Cologno. Sie erwarten das Spiel, als wäre es ein Finale der Champion’s League. Der Minibus der Gastmannschaft ist pünktlich, ihm voran ein Auto, das plötzlich scharf bremst. Der Fahrer öffnet die Tür und steigt aus dem Wagen.

– Seid ihr verrückt geworden? Ich knall euch gleich eine.

Aus dem Auto steigen fünf Mann aus. Gleichzeitig kommen fünf weitere von der linken Straßenseite hinzu, ebenso viele von der rechten. Von hinten überholt ein Auto. Auch die steigen aus. Der Minibus ist umstellt. Man hört Schreie.

– Die sind wegen mir da. Versteckt euch unten. Schnell, Scheiße.

Eine Flamme, zwei, drei. Nach wenigen Sekunden hüllen die Bengalos die kleine Straße in Cologno in Rauch. Stein- und Flaschenhagel fliegen los. Zwischen den Sitzen am Boden zusammengekauert sehen die Jungs aus Bonate alle Fenster zersplittern. Aber die Gefahr stellt das Feuer dar. Die Rauchtöpfe und Fackeln könnten einen höllischen Brand entfachen. Dann beruhigt sich alles wieder. Der Minibus ist zu Schrott verarbeitet und dem Capo der BG wurde mit gleicher Münze heimgezahlt. Ein Überraschungsangriff, demonstrativ, auf ein leichtes und absurdes Ziel: eine Amateurmannschaft, einfach um zu zeigen, dass ein BG in Mailand nicht bestimmen kann.

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