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Geschrieben von Stephan am 24. März 2014

Vor knapp sechs Monaten kam das Erstlingswerk von Jörg Pochert mit dem Titel ‚Ayia Napa!‘ auf den Markt. Der Autor schreibt darin über seine Fußballreisen nach Portugal, Zypern, den Iran und in die Türkei. Was er seither mit seinem Buch erlebt hat und wie seine nächsten Ziele aussehen, dazu stand Pochert nun Rede und Antwort.

Hallo Jörg, im vergangenen Jahr ist mit ‚Ayia Napa!‘ Dein erstes Buch erschienen. Welche Reaktionen hast Du bisher darauf bekommen?

Fast ausnahmslos positive. Mein privates Umfeld hat es vermutlich so lange nicht geglaubt, dass ich ein Buch herausgebe, bis es die Leute wirklich in den Händen hielten. Alle waren besonders überrascht vom absolut professionellen Layout. Aber auch über den Bekanntenkreis hinaus gab es schnell die ersten sehr guten Kritiken. Wirklich enttäuscht hat nur ein einziger Leser reagiert. Alle anderen Reviews waren sehr positiv oder zumindest konstruktiv kritisch. Und ich denke, dass sich für einen Neu-Autoren beispielsweise durchschnittlich 4,7 von 5 Amazon-Sternen auch sehen lassen können.

Hättest Du erwartet, dass selbst Funk und Fernsehen sich für Dein Buch interessieren und wie empfandest Du die ‚Pressearbeit‘?

Das hätte ich nie und nimmer erwartet. Klar, auf ein paar Kritiken in gängigen Magazinen habe ich schon gehofft, aber alles andere hätte ich nie erwartet. Große Hilfe wurde mir dabei aus der Fanszene meines Vereins TeBe Berlin zuteil, dadurch kam es beispielsweise zum Interview mit dem RBB oder dem Review in der Wochenzeitung ‚Jungle World‘. Aber auch nofb-shop.de als Herausgeber hat sich wirklich rührend um Publicity gekümmert. Die komplette Medienarbeit empfand ich als sehr angenehm, weil ich einige interessante Leute dadurch kennenlernen durfte, die mir allesamt mit ehrlichem Interesse, aber auch Respekt gegenüber traten. Geärgert habe ich mich eigentlich nur über die Reviews im 11 Freunde oder ballesterer. Nicht mal, dass die Meinungen schlecht ausfielen. Aber in mir entstand der Eindruck, dass beide Schreiber mein Buch nur stellenweise kurz angelesen hatten und ihre Kritiken dann jeweils an ein paar Einzelpunkten aufzogen, die meiner Meinung nach überhaupt nicht repräsentativ waren, und jeweils einen vollkommen falschen Eindruck des Buches vermittelten.

Ayia Napa! Du hast ja auch schon einige Lesungen hinter Dir. Warst Du mit diesen zufrieden und wie waren die Reaktionen des Publikums?

Ich habe bisher viermal gelesen – vor Fans des Spandauer SV, im Fanprojekt Magdeburg, in Berlin bei den ‚Unerhörten‘ und zuletzt in Leipzig beim Netzwerk blau-gelb e.V. im Rahmen der Buchmesse. Alle Lesungen waren komplett unterschiedlich, aber mit jeder einzelnen war ich sehr zufrieden. So hatte die Lesung in Spandau eher etwas von einem Treffen mit alten Bekannten – obwohl ich nur einen Anwesenden persönlich kannte – es ging sehr locker zu, und es wurde auch das eine oder andere Bier zusammen getrunken. Die Lesung bei den ‚Unerhörten‘ fand dagegen vor vollkommen fußballfremdem Publikum statt, wo meine Schilderungen aus dem Iran für ungläubige Blicke sorgten. Die Lesungen in Magdeburg und Leipzig dagegen waren sehr professionell organisiert, vor einer sehr interessierten Audienz, und besonders in Leipzig wurde ich mit Fragen nur so gelöchert. Unterm Strich muss ich sagen, dass alle Lesungen bisher durchweg positiv verliefen. Es werden sicherlich nicht die letzten gewesen sein.

Was macht für Dich die Faszination Groundhopping aus?

Für mich bedeutet Groundhopping, die Welt kennenzulernen. Jeder Reisende hat unterschiedliche Ziele. Viele Leute fahren zum Beispiel nach Sankt Petersburg nur wegen der Ermitage und der Weißen Nächte – ich würde wegen eines Zenit-Heimspiels hinfahren, aber mir natürlich die anderen Dinge auch nicht entgehen lassen. Ich treffe auf meinen Reisen die unterschiedlichsten Menschen, mache Erfahrungen fürs Leben und entdecke zahlreiche Sachen, die in keinem Reiseführer stehen. Zudem kann ich meinem Hobby frönen und eine Menge Fußballspiele schauen, ganz klar. Gerade in den Stadien trifft man überall auf der Welt Menschen aller Couleur.

Über Sankt Pauli habe ich vor etwa zwanzig Jahren mal gelesen, dass dort der Banker neben dem Punker im Stadion steht. So oder so ähnlich ist es überall in der Welt. So habe ich in Bukarest schon Straßenkinder kennengelernt, und Zweien von ihnen auch eine Eintrittskarte gezahlt – im türkischen Eskisehir wiederum unterhielt ich mich aber auch sehr gut mit dem Generalsekretär des türkischen Sportverbandes. Der Austausch mit all diesen Menschen ist eine Sache, die mich prägt.

Zudem ist oft der Weg das Ziel. Selbstverständlich ist in zahlreichen Ländern das Vorankommen schwierig. Aber letztlich findet man als Groundhopper immer einen Weg, ans Ziel zum kommen. Wenn zum Beispiel zu einem Heimspiel von Fenerbahce Istanbul wegen vorherigen Randalen nur Frauen und Kinder zugelassen sind, man als Mann dann aber trotzdem drin ist – das ist schon genial. Ebenso ist mir hierzu ein Beispiel aus Litauen in Erinnerung. Wir waren mit sieben Leuten unterwegs und wollten für zwei Spiele nach Kaunas. Vom Grenzbahnhof aus sollte es mit dem nächsten Zug weiter gehen, der fuhr aber erst fünf Stunden später, viel zu spät für uns. Dort war aber auch nirgends ein Taxi zu sehen, wir standen wirklich inmitten der Pampa. In dreihundert Meter Entfernung sah ich vor einem Tante-Emma-Laden einen Kleinbus stehen und meinte „Der fährt“ uns jetzt nach Kaunas. Letztlich waren die Verhandlungen, die in harten Devisen geführt wurden, erfolgreich. Der Inhaber des Ladens fuhr uns – für 25 Dollar – zwar nicht nach Kaunas, aber zum nächstgelegenen Busbahnhof ins vierzig Kilometer entfernte Marijampole, von wo aus es weiter ging und wir zehn Minuten vor dem Anpfiff des ersten Spiels im Stadion standen. Solche Erlebnisse bleiben einem für immer in Erinnerung – so wie diese Geschichte, die bereits 14 Jahre her ist. Ich könnte an dieser Stelle noch stundenlang weiter erzählen…

Wie sehen Deine nächsten Reiseziele aus und sammelst Du eventuell schon Inhalte für ein neues Buch?

Ganz konkret geht es am Donnerstag für sechs Tage nach Portugal. Über meine Liebe zu Lissabon ist ja in meinem Buch ausführlich zu lesen. Meine drei besten Freunde und ich reden seit langem davon, dass wir zusammen mal eine Tour machen, und endlich ist es soweit. Das Besondere daran ist, dass zwar alle Fußballfans sind – sie stammen aus der Fanszene von Stahl Brandenburg – aber keine Groundhopper. Ich denke, dass dieser Ausflug eine gute Gelegenheit für Dirk, André und Phillip ist, in mein Hobby einzutauchen. Wir werden sechs Spiele sehen, aber auch viel Zeit für Sightseeing haben sowie natürlich auch gut essen und trinken. Ansonsten werde ich im April und Mai endlich die tschechische erste Liga komplettieren. Diese Ausflüge geben meiner Meinung nach aber keinen Stoff für ein nächstes Buch her. Dann schon eher meine 18-tägige Tour durch Japan und Südkorea, die ich im Oktober unternahm. Und auch für den Rest von 2014 und 2015 habe ich mir noch zwei oder drei Reisen nach Nah- und Fernost vorgenommen. Es ist also gut möglich, dass das nächste Buch dann den Untertitel ‚Fußballreisen nach Asien‘ trägt.

Welche Stadien oder auch Regionen willst Du unbedingt noch bereisen?

Asien hat mich wie gesagt angefixt. Neben dem Komplettieren der UEFA, welches ich in den nächsten drei Jahren anstrebe, werden mich die nächsten großen Reisen, von denen natürlich nur eine oder zwei im Jahr drin sind, erst einmal gen Osten führen. Ansonsten träume ich wie jeder Hopper von Südamerika, wobei ich erst einmal das Aufheben der Gästesperre in Argentinien abwarten werde, ebenso wie das Abebben des WM-Booms in Brasilien. Im Grunde gilt die Faustregel, dass ich überall dort hin möchte, wo ich noch nicht war. Und dass ich hoffe, zeitlich, gesundheitlich und finanziell noch bis ins hohe Alter die Möglichkeit zu haben, zu reisen.

Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?

Als Groundhopper würde ich mir zuerst mehr Vielfalt in der Stadionarchitektur wünschen. Heutzutage entstehen überall neue Arenen, die einander zu sehr ähneln, so dass das Hoppen dahingehend manchmal keinen Spaß macht. Ich habe mittlerweile wirklich eine Abneigung gegen diese neuen Kisten und kann mich nicht motivieren, dort hinzufahren. München, Mönchengladbach, Mainz, Sinsheim, Augsburg, Duisburg, Dresden – diese Neubauten habe ich alle noch nicht gesehen. Warum soll ich denn auch hunderte Kilometer zu einem Spiel beispielsweise nach Augsburg fahren, wenn ich fast identische Stadien schon in Rostock, Magdeburg oder Wolfsburg gesehen habe? Zumal Flüge nach Südeuropa mittlerweile günstiger sind, als Bahnfahrten nach Süddeutschland.

Ebenso ändern würde ich die Eintrittspreise. In England habe ich im Januar für ein Zweitligaspiel bei Millwall 30 Pfund bezahlt, Premier League-Tickets bekommt man auf der Insel sogar fast gar nicht mehr unter 50 Pfund. Das ist mir zu viel und ein Grund, warum ich England mittlerweile meide. Aber auch in Deutschland gibt es Vereine, die irgendwo den Schuss nicht gehört haben. Vor zwei Wochen war ich bei Alemannia Aachen, da hätte der billigste Sitzplatz zwanzig Euro gekostet. In der vierten Liga!! Der BSV Hürtürkel hat 2013 gegen TeBe Berlin zehn Euro für ein Spiel der sechsthöchsten Spielklasse aufgerufen. Und gerade eben habe ich gesehen, dass ich nächste Woche bei Sporting Lissabon auch mindestens 35 Euro abdrücken darf. Im armen Portugal! Der Fußball droht immer mehr zu einem Vergnügen zu werden für die Leute, die es sich leisten können. Ebenso kann man in vielen Ländern Eintrittskarten mittlerweile gar nicht mehr kaufen, ohne seine kompletten Personalien abgeben zu müssen.

Nicht zuletzt stört mich die Kriminalisierung von Pyrotechnik. Noch in den Neunzigern wurde die Sportschau oder Sendungen auf DSF mit Bildern von Bengalfackeln beworben. Alle Welt schwärmte von der ‚tollen südländischen Atmosphäre‘ in Kaiserslautern oder Dortmund – und heutzutage wird das fast wie ein Kapitalverbrechen mit nicht unter zwei Jahren bundesweitem Stadionverbot bestraft. Dabei ist die Pyrotechnik von heute deutlich ungefährlicher als jene, die man damals im Kofferraum nach dem Besuch des Tifo-Hinterhofshops in Turin mit über die Grenze geschmuggelt hat…

Welche anderen Magazine und Bücher würdest Du empfehlen?

In Sachen Groundhopping würde ich auf jeden Fall ‚Eine Reise dorthin, wo der Osten schon wieder Westen ist‘ empfehlen. In diesem Buch unternimmt Ted Striker eine zweimonatige Reise ans Gelbe Meer und zurück – auf dem Landweg! Von solch einer Tour träume ich noch. Sehr empfehlenswert sind auch ‚Von Haifa bis Havanna‘ des Frankfurter Groundhoppers Ingo Braun oder ‚Anstoß in Baku‘ aus dem Zwickauer Umfeld.

In Sachen Fanzines hat mir in den letzten Jahren ‚Mi buen amigo‘ mit am besten gefallen, leider ist die Erstausgabe nicht mehr zu bekommen und das Heft erscheint sehr unregelmäßig. ‚Insieme‘ aus dem Umfeld der Stuttgarter Kickers ist ebenso ganz weit vorn dabei. Aus der Kickers-Szene stammte in den 90ern übrigens auch das ‚Blue Boys‘, vermutlich mein Lieblingsfanzine aller Zeiten. Sehr gern lese ich ebenfalls ‚Apokalypse Wurst‘ aus Zwickau oder ‚Der kleine Zeitvertreib‘ aus Chemnitz. In beiden letztgenannten Heften geht es nicht nur um die großen Derbys, sondern auch um tschechische siebte Liga oder Vergleichbares. Gerade das macht für mich aber ein gutes Heft aus: Dass es eben nicht nur Highlights sein müssen, sondern dass dem Fußball in allen Ligen Beachtung geschenkt wird. Warum auch nicht? Der Ball ist überall rund und das Spiel dauert überall 90 Minuten. Zudem verstehen es die Autoren der letztgenannten Hefte, selbst über die uninteressantesten Dorfkicks unterhaltsame Details zu berichten und mir wirklich zahlreiche Lacher zu entlocken. Wenn ein Heft das schafft, werde ich mir die nächsten Ausgaben immer wieder bestellen, selbst wenn ich daheim noch Lesestoff für ein halbes Jahr vorrätig habe…

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