Was macht einen Fußballverein wirklich aus? In Berlin sind es die Geschichten, die Herzen und die unverbrüchliche Treue der Fans. Michael Stoffl hat all das in seinem neuen Buch ‚Fußballstadt Berlin‘ eingefangen und uns einen unvergleichlichen Einblick in die Seelen von 14 Vereinen gegeben – vom BFC Germania über Hertha BSC und den 1. FC Union Berlin bis über die Stadtgrenze hinaus zum SV Babelsberg 03. Wir sprachen mit dem Herausgeber, der uns verriet, was diese Fußballstadt so besonders macht.
Hi Michael, vor wenigen Wochen ist Dein neuestes Buch ‚Fußballstadt Berlin‘ erschienen, wie ist die Resonanz bislang ausgefallen?
Ich sage mal zufriedenstellend. Mit einem Verlag im Rücken, der sich um Werbung und Reichweite kümmert, sähe das vielleicht ganz anders aus. Aber dafür, dass fast alles in Handarbeit und Eigenregie entstanden ist, kann ich nicht meckern. Eine Handvoll Vereine haben mich auch dahingehend unterstützt, dass sie das Buch jetzt auch in ihrem Sortiment führen.
Um was geht es in Deinem Buch?
In vierzehn Kapiteln geht es um vierzehn Vereine – dreizehn größere und kleinere aus Berlin und obendrein mit Babelsberg 03 quasi als Bonusmaterial von jenseits der Stadtgrenze. Es darf also keine allumfassende Enzyklopädie der Berliner Fußballgeschichte erwartet werden. Vielmehr war es mir ein Anliegen, die emotionale Verbundenheit zu den porträtierten Klubs rüberzubringen. Anstatt selbst einen – oberflächlichen – Blick von außen darauf zu werfen, konnte ich für die einzelnen Kapitel Leute als Autoren gewinnen, die dem jeweiligen Verein auf die ein oder andere Weise besonders nahestehen und damit Perspektiven eröffnen, die Außenstehenden oft verwehrt bleibt. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden.
Die Schwerpunkte und Erzählweisen sind dabei ganz unterschiedlich ausgefallen. Mal geht es um die jüngsten Entwicklungen im Umfeld des Vereins, mal um Anekdoten aus teils längst vergessenen Zeiten: Wie wird man eigentlich zum BFC-Fan? Wie war das damals bei Auswärtsfahrten nach Westdeutschland mit Blau-Weiß 90 oder in den ‚wilden Osten‘ mit Türkiyemspor? Von den Anfängen in der Kaiserzeit bei Germania 1888 über die Rolle von Lichtenberg 47 auf dem Gelände der Staatssicherheit bis hin zu Herthas jüngstem Abstieg in die Zweitklassigkeit, Union in der Champions League und TuS Makkabi im DFB-Pokal.

Mancherorts kommt man mit der Berichterstattung über aktuelle Entwicklungen gar nicht hinterher wie man am Beispiel Viktoria sieht. Auch der Berliner AK steht mal wieder vor einer Zerreißprobe. Die Füchse aus Reinickendorf müssen nicht selten erklären, dass sie mit Handball nichts am Hut haben, und über Tasmania gibt es weit mehr zu erzählen als immer nur über die schlechteste Bundesligasaison aller Zeiten. Dass es bei Tennis Borussia auch mal kracht und immer viel Feuer im Spiel ist – im übertragenen Sinne – dürfte auch Außenstehenden nicht entgangen sein. Insgesamt also ein Sammelsurium aus viel Wissenswertem, spannenden Anekdoten und manchmal auch überraschenden Einblicken.
Wie entstand die Idee dazu?
Die Idee an sich entstand bereits vor drei Jahren, unmittelbar nachdem mein Erstlingswerk ‚In 90 Minuten um die Welt‘ in der Fußballfibel-Reihe erschienen war. Der Verlag wollte neben einzelnen Vereinen nun auch bedeutende Fußballstädte ins Programm aufnehmen. Mit dem Buch zu Buenos Aires von Lukas Lange gelang damit auch gleich ein großer Wurf. Berlin sollte als nächstes folgen, doch gerade als mein Manuskript fertig war, ging der Verlag pleite. Von da an begann eine sehr kräftezehrende Zeit, in der ich hauptsächlich damit beschäftigt war, einen Verleger zu finden und parallel aktuelle Entwicklungen in den Texten einzuarbeiten. Nach einigen leeren Versprechungen und Hinhaltemanövern entschied ich mich letztendlich das Projekt komplett eigenverantwortlich durchzuziehen, also das Buch selbst herauszubringen. Das war für mich eine völlig neue Erfahrung, die mich zwar viel Zeit und Nerven kostete, mit der ich aber auch viel lernte. Letztendlich bin ich sehr froh, dass sich das alles verwirklichen ließ.
Was fasziniert Dich am Berliner Fußball und was sind für Dich die absoluten Perlen, die jeder einmal besucht haben sollte?
Darf man Berlin überhaupt als ‚Fußballstadt‘ bezeichnen? Diese Frage stellte sich mir, noch bevor es einen Buchtitel gab, immer wieder. Je länger ich mich mit der Thematik befasste, desto klarer wurde das ‚Ja!‘ als Antwort darauf. In anderen Metropolregionen mag der Fußball im Alltag präsenter und die Anzahl überregional bekannter Vereine größer sein – vor allem auch die Anzahl nationaler und internationaler Titel. Die Rolle und Bedeutung, die der Fußball in einer Stadt einnimmt, samt seiner ganzen gesellschaftlichen Relevanz, ist in Berlin nicht minder ausgeprägt. Erfolgsfan eines gerade angesagten Clubs zu sein ist nicht schwer – aber auch irgendwie langweilig. Über Jahre hinweg aber mit dem Verein aus der Nachbarschaft durch dick und dünn zu gehen, zeugt von echter Verbundenheit und Leidenschaft. Und genau das ist es, was den Berliner Fußball auf so vielen Ebenen ausmacht.
Berliner Stadionperlen, die man mal besucht haben sollte? Da nenne ich mal exemplarisch bewusst welche, die nicht im Buch bedacht worden sind: die Nordend-Arena von Concordia Wilhelmsruh, das Stadion Buschallee in Weißensee, der Ziegelhof in Spandau, das Preussen-Stadion in Lankwitz oder auch der FEZ-Platz in der Wuhlheide sind auf alle Fälle mal einen Besuch wert. Aber es gibt noch viele andere, die entdeckt werden möchten.

Aktuell warst du gerade in Zentralasien unterwegs. Was hat Dich an dem Ziel gereizt?
Wer mich kennt, weiß, dass mich fast alle Ziele dieser Welt reizen. Ich muss aber auch nicht überall hin: Wenn das Bauchgefühl nicht stimmt, lasse ich es lieber. Mit Usbekistan und Tadschikistan hatte ich es diesmal richtig gut erwischt. Große Gastfreundschaft, zumeist gute Infrastruktur, schonend fürs Portemonnaie, stressfrei und vor allem gibt es entlang der historischen Seidenstraße viel zu entdecken. Und nach vier Wochen stehen mit insgesamt neun Spielbesuchen die FIFA-Länderpunkte 94 und 95 zu Buche.
Was macht für Dich die Faszination Groundhopping aus?
Für mich ist es wichtig, auf einer Reise möglichst viel vom dortigen Leben und der Kultur aufzusaugen bzw. mitzunehmen – idealerweise garniert mit einem Spielbesuch. Da bleibe ich auch gerne mal ein paar Tage länger, um auch den Alltag jenseits von Stadien, Bahn- und Flughäfen kennenzulernen. Einfach nur hin, abhaken und weiter – das wäre nichts für mich.
Was sind Deine Ziele für die kommenden Monate und in welches Land bzw. zu welchem Stadion möchtest Du unbedingt noch reisen?
Konkrete Ziele oder Pläne habe ich momentan nicht. In Mittelamerika gibt es noch einige Lücken zu schließen und nach Südamerika zieht es mich immer wieder. Dort sticht Peru noch als weißer Fleck aus der Landkarte. Auch Afrika hat es mir angetan: Mehrere Afrika-Cup-Reisen machen da einfach Lust auf mehr. Auch wenn es mal nicht so läuft wie man es sich zuvor ausgemalt hat.