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Diario di Calcio 2
Die Gelddruckmaschine Fußball lässt sich leider nicht mehr zurückdrehen – Interview mit Kalle vom Diario di Calcio
16. Juli 2020 Interviews

Vor zwei Wochen ist mit der zweiten Ausgabe vom Diario di Calcio druckfrische Groundhopping-Lektüre im Lager eingetroffen. Das ziemlich dicke Heft bietet viele, interessante Berichte von europäischen Spielen. Dazu kommen Hintergrundinfos, Interviews sowie zahlreiche Fotos. Und da der Autor wegen der aktuellen Spielpause nicht so viel unterwegs ist, nahm er sich die Zeit, um einige Fragen ausführlich zu beantworten.

Hallo Kalle, vor einigen Tagen ist die zweite Ausgabe von Deinem Diario di Calcio erschienen. Was erwartet die Leser Deines Magazins?

Hallo erst mal und danke, dass ich das ‚Diario di Calcio‘ an dieser Stelle vorstellen darf. Das Diario hat sich in dieser Ausgabe vollkommen auf den europäischen Kontinent gestürzt. Hauptaugenmerk war dabei auf längeren Reisen über den Balkan, eine Reise auf Zypern und wie der Name schon verrät als Kirsche auf der Sahne einiges aus meinem Lieblingsreiseland Italien. Ganz nebenbei ist noch ein Interview mit der Fanszene NK ins Heft gerutscht und ein Protagonist von Omonia Nicosia stand mir Rede und Antwort. Dazu hat mit Mr. Shelby ein weiterer Schreiberling den Weg in das Heft gefunden. Also einiges um diesen schlechten Sommer zu überbrücken.

Was waren denn Deine persönlichen Highlights in den vergangenen Monaten?

Durch Corona natürlich nicht viel, wobei jetzt mehr ins Heft gerückt ist, als vorher geplant. Mit dem Spiel Borac Banja Luka gegen FK Sarajevo ist dann da schon ein Höhepunkt ins Heft gerutscht. Auch wenn es auf der Straße nicht wild wurde, haben Heim- wie Gästefans einen ordentlichen Auftritt hingelegt. Außerdem war das Fahnenmeer beim Derby SPAL gegen Bologna eine wahre eins, obwohl der anschließende Tifo nur im Gästeblock das Prädikat gut verdient hat. Ansonsten bleiben mir die persönlichen Anekdoten, die Treffen mit Groundhoppern aus England, wilden Alkoholexzessen und erstmalig besuchte Länder im Gedächtnis.

Was treibt Dich eigentlich an, Deine Wochenenden in Flugzeugen und Bahnen zu verbringen, um irgendwo auf der Welt ein Fußballspiel zu sehen?

Ich muss gestehen, dass ich nicht mehr jedes Wochenende unterwegs bin. Wenn du die 30 überschritten hast, dann hast du einfach keinen Bock mehr eine Plastikwiese in Holland zu kreuzen. Aus diesem Grund konzentriere ich mich auf längere Reisen oder peile spezielle Spiele an. Dabei ist es mir wichtig, ein wenig Hintergrundwissen zu sammeln, möglichst fernab von sozialen Medien, Wikipedia und Google. Ich möchte mir einfach einen eigenen Eindruck vor Ort machen, was ich dann gerne ausführlicher niederschreibe. Wenn sowas möglich ist, sind mir Stunden in Bussen, Bahnen und Flugzeugen herzlich egal. Ehrlicherweise verbringt man diese Zeit zuhause eh nur mit sinnloseren Sachen. Fernsehen, Smartphone und so ein scheiß.

Welche Fanszenen haben Dich bisher nachhaltig beeindruckt?

Diario di Calcio 2 Die Jungs von FAR Rabat sind mir im Gedächtnis geblieben. In einer absoluten Monarchie eine Subkultur zu etablieren, ist eine andere Hausnummer als in Mitteleuropa. Sich durch staatliche Repressionswellen in Marokko zu kämpfen, umso mehr. Ansonsten bleibe ich von der italienischen Ultrakultur geprägt, weshalb ich kein konkretes Beispiel nennen möchte. Der Lebensstil auf dem Stiefel ist ein völlig anderer. Mir gefällt die fehlende Durchtaktung des Lebens und trotzdem was Gutes auf das Parkett zaubern zu können. Dies unterscheidet sich deutlich von der akribischen Arbeit in Nordeuropa.

Wie übersteht eigentlich ein Groundhopper die Corona-Zeit und hast Du bereits Ziele für den Rest des Jahres?

Ich habe das Diario fertig geschrieben und meinen Fanzinestapel etwas runter gelesen. Ansonsten bleibt nur selber Sport machen, die Wohnung aufräumen, Arbeiten gehen und die Medien verfolgen. Nach dem Lockdown war ich bei einem Kartoffelauflauf in Tschechien für ein Wochenende dabei und Island scheint für mich interessant zu werden. Meinen ursprünglichen Plan Mexiko im Mai und Südamerika im November zu bereisen musste ich erst mal auf die lange Bank schieben.

Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?

Ich habe mir zuerst eine lustige Antwort ausgedacht, die eine Enteignung von Dietmar Hopp und Dietrich Mateschitz befürworten würde. Wenn ich mir diesen Kokolores aus dem Kopf streiche, dann muss ich ehrlich sagen, dass der Fußballsport noch nie ohne eine Kommerzialisierung ausgekommen ist. Fußballvereine in England, wie der Liverpool FC, wurden durch Brauereiinhaber gegründet, um ihren Stoff an den Mann und die Frau zu bringen. In Deutschland passierte ähnliches, beispielsweise in den deutschen Kohlerevieren. Somit ist die Entwicklung des Fußballs seit der vorletzten Jahrhundertwende, auch nur eine Entwicklung mit dem gesellschaftlichen Zeitgeist. Die Wandlungen des Sports lassen sich sehr gut über die Jahrzehnte erkennen. Heutzutage möchte der Mensch und ganz speziell der Deutsche bespaßt werden. Er zahlt für sein Entertainment. Diejenigen wie ich, die eine romantische Ader für den Fußballsport haben, müssen sich der Mehrheit beugen. Hätte ich einen Wunsch frei, dann sicherlich die Rückkehr zu einem fairen Wettbewerb. Globale Transfer- und Gehaltsobergrenzen wären ein Anfang. Die Gelddruckmaschine Fußball lässt sich leider nicht mehr zurückdrehen, doch das war abzusehen und nicht erst seit gestern.

Welche anderen Magazine würdest Du empfehlen und warum? Gibt es vielleicht auch Bücher zum Thema, die Du gerne gelesen hast?

Mein absoluter Favorit bleibt die Republikflucht aus Cottbus/FFO, dicht gefolgt vom La Cosa Nostra aus Ulm. Aktuell lese ich ‚Wir sind schon auf dem Brenner‘, was sich schlagartig in meine Top 3-Hitliste katapultiert hat. Zu meiner seichten Unterhaltung kann ich mit dem Groben Schnitzer, Jottwede oder den überregionalen Heften wie Blickfang Ultra und Erlebnis Fußball nichts falsch machen. Mein letztes Fußballbuch habe ich mit ‚Reds – Die Geschichte des FC Liverpool‘ nahezu verschlungen. Wahnsinnig gut geschriebenes Buch, was auch einen guten Einblick in die Stadt Liverpool vermittelt.

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