Wissenschaftliche Ausarbeitungen über Fußballfans sind immer so eine Sache. In der Regel kennt sich der Verfasser nicht oder nur unzureichend mit der Materie aus und bezieht sein gesamtes Fachwissen aus der Literatur. Wenn dann mal irgendein Autor in einem Buch geschrieben hat, dass beispielsweise die Fanszene des FC St. Pauli die einzige kritische Bewegung in deutschen Fankreisen ist, gilt diese Aussage als in Stein gemeißelt und wird in unzähligen Diplomarbeiten etc. verwendet. Persönlich bevorzuge ich daher Arbeiten von Leuten, die sich mit der Thematik zumindest ansatzweise auskennen. David Brenner ist selbst Anhänger des einzigen hessischen Profifußballvereins. Er sieht sich selbst als Fan, aber zählt sich nicht zum harten Kern. Einerseits ist es dadurch vielleicht etwas schwierig das Thema mit dem nötigen Abstand zu betrachten, andererseits kommt dadurch auch eigenes Fachwissen zum Tragen.
Eine Rezension von Ingo Braun
Brenner thematisiert in seinem Buch die Entwicklung der Fanszenen durch das Erscheinen der Ultrabewegung. Als Fanszene hat er sich die von Eintracht Frankfurt herausgesucht. Der Verfasser beschreibt zunächst die allgemeine Entstehung und Entwicklung von Fanszenen in und welche unterschiedlichen Typen es unter den Stadiongängern in Deutschland gibt. In weiteren Schritten beleuchtet er den Wandel von konsumierenden Zuschauern zu kritischen Fans. Dabei beleuchtet er verschiedene Organisationen und Initiativen, die Fans gegründet haben, um ihre Interessen zu vertreten. Von Fanzines über Interessengemeinschaften wie ‚Unsere Kurve‘ oder ‚ProFans‘ leitet er dann über zur Entstehung der Ultrabewegung in Deutschland.
Dann folgt das Herzstück jeder wissenschaftlichen Arbeit, die empirische Untersuchung. Brenner hat sich entschieden, den Wandel der Fanszene anhand der Entwicklung der Ultras Frankfurt zu beschreiben und wählte dazu die Methode des Interviews. In diesen Interviews werden verschiedene Themen zur Entwicklung der Fanszene in Frankfurt abgefragt, wie z. B. die Rolle der Adlerfront, der Kutten-Bewegung der 80er/90er im G-Block, die Folgen des ersten Abstieges aus der ersten Bundesliga 1996 bis hin zum Stand der heutigen Szene in der ‚Nordwestkurve‘. Thematisiert werden natürlich auch Pyrotechnik, Gewalt und andere Verhaltensweisen der Ultras. Vor allem welche Folgen diese für die gesamte Fanszene haben, beispielsweise im Hinblick auf polizeiliche Maßnahmen, die in der Regel alle Stadiongänger treffen. Aber auch die Dominanz in der Kurve wird aufgezeigt, die sich vor allem darin ausprägt, dass die ‚Capos‘ vorgeben, welche Lieder gesungen werden und welche eben nicht.
Wer die Interviewpartner waren und welche Rolle diese in der Frankfurter Fanszene spielen, lässt sich nur anhand von Auszügen aus den Interviews erahnen. Die Antworten lassen den wissenden Leser jedenfalls darauf schließen, dass es Fans sind, die sich mit der Thematik gut vertraut sind und sich in der Szene wirklich auskennen, aber nicht direkt dem inneren Zirkel der Frankfurter Ultras angehören. Der Abschlusssatz des Autors könnte auch aus einem Propagandablatt einer x-beliebigen Ultragruppe stammen: „Auf jeden Fall wird die organisierte Fanszene weiterhin dafür kämpfen, ihre Existenz zu erhalten.“
Schreibe einen Kommentar