Die Zahl der Fan- und Hopping-Magazine hat nach einer Flaute um die Jahrtausendwende herum, in den vergangenen Jahren wieder deutlich zugenommen. Neu dabei ist nun auch das Dresdner Magazin ‚Nüschd zu dun?!‘, das von Anselm und Thomas erstellt wurde. Und damit sich jeder von den beiden Autoren ein Bild machen kann, beantworteten sie nun zusammen unsere Fragen.
Anselm, was kann der Leser Eures Heftes erwarten?
Anselm: Unterschiedlichste Fußballberichte. Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass sich die Berichte untereinander unterscheiden. Dies gelingt zum einen, durch den differenzierten Schreibstil von Thomas und mir. Zum anderen aber auch durch die Herangehensweise, wie ich ein Spiel oder eine Tour zu Papier bringe. Mit der nötigen Geduld schaffen wir es fast immer, jedem Erlebnisbericht sein ganz eigenen Flair zu geben. Ob sehr kurz, nur mit den wichtigsten Fakten behaftet. Oder auch ein langer Text, der gespickt ist mit witzigen Anekdoten und köstlichen Randerscheinungen des Fußballs. Darin wird auch das Hauptaugenmerk in der nächsten Ausgabe liegen. Eben nicht wie leider einige andere Fanzines in einen gewissen Trott zu geraten. Wo der Leser, wenn er ein Heft gelesen hat, auch alle folgenden schon erahnen kann. Wir planen deshalb schon mit einigen Neuerungen und Verbesserungen für das nächste Heft. Allerdings schauen wir zunächst aufs erste ‚Nüschd zu dun?!‘. Die Leserschaft wird uns zeigen und sagen, an welchen Teilen gearbeitet werden muss. Wir wollen doch alle Erwartungen erfüllen.
Welche Touren der vergangen Monate waren für Euch die interessantesten?
Anselm: Ende Oktober waren wir im Norden Galiziens. Das heißt Süd-Ostpolen, in Städten wie Krakau, Tarnobrzeg und Rzeszow. An diesem verlängerten Wochenende stimmte einfach alles! Wir haben zwei wunderschöne Tage in Krakau verbracht. Dazu noch einen Euro-Abend bei Wisla erlebt, einfach fantastisch! Außerdem hat das Nachtleben von Krakau gehalten, was über all versprochen wird. Überwältigend ist auch die Atmosphäre in Rzeszow. Der kalte und düstere Herbst trug positiv zu dem unvergleichbaren ‚Polen feeling‘ bei.
Abgerundet wurde die Tour am Sonntagnachmittag. Radom Derby. Dort scheint die Repressionswelle des PZPN noch nicht komplett angekommen zu sein. Aber lest am besten die nächste Ausgabe von ‚Nüschd zu dun?!‘.
Thomas: Für mich waren die ersten Hoppingversuche in Ungarn und Serbien sehr interessant gewesen. Da keiner von uns beiden eine direkte Vorstellung hatte, was dort unten passieren mag. Beginnend mit der Zugfahrt, über die Hostelsuche bis hin zu den Stadien und Fußballspielen.
Auf was legt Ihr bei der Auswahl der anzusteuernden Ziele besonderen Wert?
Anselm: Vor allem kommt es uns nicht zu einer unbedingten Erledigung, oder einem abhaken an. Wir fahren dort hin, wo es uns gefällt. Alle für uns relevanten Faktoren müssen berücksichtigt werden.
Thomas: Da wir hauptsächlich in Osteuropa unterwegs sind, wird halt auch auf die Fanszene ein Auge geworfen. Da es schon Kicks gab, wo nur Fußball gucken angesagt war, ist man umso erfreuter, wenn eine gestandene Fanszene hinter dem Tor steht. Besonderen Wert werden auch auf die Kultur der Städte gelegt bzw. die kulinarischen Verköstigungen anderer Länder.
Welche Stadien oder auch Regionen wollt Ihr unbedingt noch bereisen und
warum?
Anselm: Das würde den Umfang dieses Interviews sprengen. Aber mal im Ernst. Ein absoluter Topkandidat für eine längere Tour stellt Marokko dar. Für mich die Perle Nordafrikas. Ein Pferderennen in Marrakesch sehen. Ein völlig bekloppter Händler der mir Datteln verkaufen will, davon träume ich. Auch die Wucht und Hingabe der Fans. Speziell die der Topklubs aus Casablanca – Wydad und Raja.
Thomas: Ich selber habe da kein direktes Lieblingsstadion oder Region, wo ich unbedingt hin muss. Es ist halt immer ein Erlebnis, in unbekannte Stadien oder Regionen zu kommen und der Wow-Effekt setzt ein.
Wart Ihr mit Dynamo Dresden in Dortmund gewesen und wenn ja, wie habt Ihr das Spiel mit samt seinen Begleiterscheinungen erlebt?
Thomas: Dortmund war schon ein einmaliger Ausflug, der Glaube keiner der Beteiligten so schnell vergessen wird. Was erschreckend wirkte, war die sehr hohe Polizeipräsenz um das Stadion gewesen. Die dachten heute bricht der dritte Weltkrieg aus. Der Weg zum Stadion verlief sehr ereignisreich. Mit vielen Schlachtrufen und einige Bengalen ging es Richtung Einlass. Hier merkte man schon die Angespanntheit der Beamten. Am Eingang auf einmal tumultartige Szenen, die zum Einsatz von Pfefferspray führten. Wo auch prompt die Tore geschlossen wurden. Nach langem kuscheln und warten, gab es wieder grünes Licht. Einlasskontrollen waren kaum vorhanden, weswegen ich ohne Abtasten in das Stadion kam. Zu Spielbeginn eine super, geile Pyroshow, was auch die Stimmung im Gästeblock nach vorn trieb. Von der sogenannten Südtribüne, waren bis auf vier Aktionen nichts Nennenswertes zu vernehmen. Zum Beginn der zweiten Hälfte das gleiche Schauspiel wie zu Spielbeginn. Nach dem zweiten Tor war dann im Block ein bisschen die Luft raus. Warum auf einmal die Dortmunder Sitzplatzkandidaten das große Maul hatten, blieb mir ein Rätsel. Was danach passierte, ist klar. Als der Dresdner Ordnungsdienst versuchte, die Lage zu beruhigen, bekam einer der Kollegen – ohne Grund – eine Ladung Pfefferspray ab. Die Polizei wirkte auch bei der Situation total überfordert und machte die Lage noch schlimmer, als sie schon war. Nach dem Spiel war keine einzige Fantrennung vorhanden gewesen und schwups wechselten die Dortmundschals ihren Besitzer.
Was in den Medien für Schreckensmeldungen verbreitet wurden, ist nicht mehr normal. Sogar schon während des Spiels wurde Dynamo Dresden in den Dreck gezogen. Die Folgen sind ja bekannt, aber bringen nichts in Sachen Gewalt bei Fußballspielen. Wir können gespannt sein, was am Ende heraus kommt.
Welchen Fanszenen, außer natürlich der eigenen, haben Euch in den vergangen Jahren nachhaltig beeindruckt?
Anselm: Die polnischen Fanszenen am meisten. Wir haben die große Zeit der polnischen Fans/Hooligans/Ultras mit Sicherheit verpasst. Daran kann ich nichts mehr ändern. Trotzdem sitz ich nicht zu Hause und heul rum, wie geil es noch vor sechs Jahren war, sondern lass mich vom Hier und Jetzt in den Bann ziehen. Die Polen sind noch immer dazu fähig! Der Besucher/Hopper muss nur genauer danach suchen. Ich verspreche, er wird fündig werden.
Mir imponiert die Art und Weise, wie Fußball mit der eigenen Heimat verbunden wird. Die Stadt aus der man kommt, die Fans identifizieren sich zu 100 Prozent mit Verein und Stadt. Das spüre ich zu jeder Sekunde, wenn ich in Polen bin. Für mich stellen die Revierkämpfe – Wald und Wiese sind nicht gemeint – rund um ein Spiel einen großen Reiz dar. Der Hass auf den Gegner hört jeder aus den Schlachtrufen. Also auch die Art und Weise des Supports hat mich positiv geprägt.
Thomas: Es gibt so viele große Fanszenen, die mich beeindrucken wie z.B. aus Belgrad die Delije. Was die immer an Choreographien und Pyroshows abziehen, ist in Deutschland gar nicht nachvollziehbar. Selber waren wir im Mai dort und konnten uns das Spektakel mal live anschauen, was auch beeindruckend war. Im nächsten Jahr ist ein Besuch beim Belgradderby schon eingeplant.
Wenn Ihr etwas am heutigen Fußball ändern könntet, was wäre das und warum?
Anselm: Der schon so oft erwähnte Kommerz, stört mich auch am meisten. Damit verbunden das Eventpublikum. In meinen Augen sollten nur die Leute zum Fußball gehen, die auch voll und ganz hinter Verein und Stadt stehen! Steh ich halt mit 3.000 Kaputten in Dortmund, statt mit 12.000 Hirnis.
Welche anderen Magazine würdet Ihr empfehlen und warum? Gibt es vielleicht auch Bücher zum Thema, die Ihr gerne gelesen habt?
Anselm: Zur Thematik Hopping wäre das ‚Anstoß in Baku‘ und die Ausgaben der ‚Beziehungskiste‘ zu erwähnen. Wer einen Trip auf den Balkan plant, sollte sich vorher das Buch ‚Western Balkans‘, vom lonley planet Verlag zu legen. Dieses Werk ist zwar nur auf Englisch erhältlich, aber trotzdem sehr gut zu lesen. Der Preis liegt bei knapp 22 Euro.
Vielen Dank für Eure Antworten und weiterhin viel Spaß auf Euren Touren.
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