Neben Abstiegsspiel von Jens Knibbiche ist in den vergangenen Tagen noch ein weiteres Buch im Blickfang Ultra-Verlag erschienen. Dabei handelt es sich um Khouzestan ist wie Brasilien. In seinem Groundhopping-Buch schreibt Autor Michael Höller über seine dreiwöchige Fußballreise in den Nahen Osten. Dabei war er in Marokko, Georgien, Aserbaidschan, Iran, Katar sowie der Türkei unterwegs. Und damit sich jeder einen kleinen Eindruck von Buch und Autor machen kann, nahm sich Höller die Zeit, unsere Fragen ausführlich zu beantworten.
Hallo Michael, vor wenigen Tagen ist Dein erstes Buch erschienen. Wie zufrieden bist Du mit dem Ergebnis?
Ich finde, das Buch ist eine runde Sache geworden. Vermutlich wird ein solches Projekt nie perfekt sein, aber es ist schon ziemlich das, was es werden sollte: Eine kurzweilige Reisebeschreibung, die gespickt ist mit unterwegs beobachteten Kuriositäten und leicht angereichert mit Fakten und Hintergründen– ohne dabei auch nur annähernd zum Reiseführer zu werden.
Gerne hätte ich es gesehen, wenn das Buch mehr (Farb-)Fotos enthalten hätte – wobei ein Leser auch genau das wieder total gut fand –, was aber aufgrund der Kostenkalkulation nicht sinnvoll erschien. Jedoch können auf der facebook-Seite ‚Khouzestan ist wie Brasilien‘ Fotos angeschaut werden und auf meiner Website michas-groundhopping.de habe ich chronologisch und eng an den Text gebunden Unmengen an Bildern hochgeladen.
Beschreib doch bitte, was den Leser in Deinem Werk erwartet?
Wie immer war ich auch bei diesen Touren ohne Begleitung und ohne gebuchtes ‚Neckermann‘-Reisepackage unterwegs. Es war mir wichtig, z.B. die ganze Buchungs-Chronologie in der Vorbereitungsphase offenzulegen und auch stets Hotel, Fluglinie samt Preisen beim Namen zu nennen. Zum einen möchte ich so beweisen, dass ein solcher Trip gar nicht sooo verrückt teuer sein muss und zum anderen könnten die Infos Nachahmern als Anhaltspunkt dienen. Wer selbst schon zum Hoppen jenseits des Mainstream war, wird sich hier in seinem Planungsstress bestimmt wiederfinden.
Zum Aufwärmen gibt es die Stippvisite nach Marrakech zum Weltpokalfinale Bayern München – Raja Casablanca nachzulesen. Ein Match mit größter internationaler Beachtung und für mich ein Glanzpunkt in meiner Karriere als Anhänger der ‚Roten‘. Genial war die Tatsache, dass mit Raja ganz überraschend ein einheimisches Team ins Finale gerutscht war und man so in den Genuss richtig überbrodelnder Begeisterung und Atmosphäre in der Stadt, in den Souks und im Stadion kam.
Richtig los geht es spätestens im zweiten Teil des Buches mit der 17 Tage dauernden Reise in den Nahen Osten. Über Istanbul hatte ich zunächst die Stadt Van am gleichnamigen See im äußersten Osten der Türkei angesteuert. Vierte Liga auf 1.750 Metern über NN bei frostigen Temperaturen inmitten einer verschneiten Bergwelt stand so ziemlich im Gegensatz zu dem, was drei Tage später anstand: Länderspiel in Katar, dem reichsten Land der Welt, etwa 1,7 Kilometer tiefer gelegen bei 30 Grad Celsius in der Wüste.
Doch das Highlight der Tour und auch des Buches dürfte zweifelsohne die Beschreibung meiner Woche im Iran sein. Ich hab mich nicht nur im chaotischen Teheran gründlich umgeschaut, sondern bin in komfortablen Zügen und klapprigen Flugzeugen durchs Land gereist. Ziele waren auslosungsbedingt Ahvaz, Fooladshahr, Isfahan sowie Shar-e Qods. Obwohl nur Fußball im Kopf, blieb mir genügend Zeit, um abseits der Spiele einen kleinen Einblick in das wunderschöne Land mit seinen prachtvollen Kulturdenkmälern zu bekommen.
Abgerundet wird das Buch durch jeweils einen Tag in Aserbaidschan und Georgien. Baku hat mich völlig überrascht. Was da abgeht, seit die Petrodollars nicht mehr nach Russland fließen, ist verrückt. Fazit: Weder Ziele noch Spiele unterwegs ähnelten einander. Jede Region war komplett anders als die andere und jede war auf ihre eigene Weise ein besonderes Erlebnis.
Nach welchen Gesichtspunkten hattest Du die ‚Buch-Reise‘ zusammengestellt?
Als Zeitrahmen mussten drei Wochenenden am Stück reichen und als Familienvater von drei Kindern war mein Budget nicht unerschöpflich. Der Iran war gesetzt. Ich hatte nur absolut keine Ahnung, was mich da erwarten würde und ob es besser wäre, den Aufenthalt dort möglichst kurz zu halten oder ganze zwei Wochen zu riskieren. Auf jeden Fall wollte ich auf dem Rückweg noch was vom Kaukasus mitnehmen. Erst im Laufe der Planungen hab ich – wegen der günstigen Flugpreise und der Spielplankompatibilität – Katar und Van noch dazu genommen.
Was waren für Dich die schönsten Erlebnisse auf der Reise und warum?
Im Iran hatte ich in drei verschiedenen Städten jeweils für einen Tag einen Reiseführer mit Wagen angeheuert. So konnte ich die knappe Zeit effektiv nutzen und mir genau das zeigen lassen, was mich interessierte. Und ich bekam durch die Vielzahl an interessanten Gesprächen mit den Tourist Guides nicht nur einen guten Einblick in den ‚Gottesstaat‘, sondern konnte vielleicht sogar etwas den Puls der Zeit im Iran ertasten.
Was macht für Dich die Faszination Groundhopping aus?
Groundhopping gibt mir einen gewissen Kick, einen Adrenalinstoß, den ich sonst nirgends bekomme. Es hat was mit der Freiheit zu tun, zu reisen wohin man will. Und sich unterwegs gegenüber gewissen Unwägbarkeiten und Problemen zu behaupten, die sich einem in den Weg stellen, einen anvisierten Ground zu machen. Vulkanasche, Streiks, defektes Fluggerät, verspätete Züge oder Spiele, zu denen keine Männer als Zuschauer zugelassen sind… man weiß nie genau, was kommt. Ich hab mal vor Jahren durch Namibia eine Pauschalrundreise gemacht. Tolles Land, sehr schön. Aber man wurde null gefordert, alles passierte einfach. Genau das Gegenteil von dem, was ich brauche!
Wie sehen Deine nächsten Reiseziele aus und sammelst Du eventuell schon Inhalte für ein neues Buch?
Fest geplant ist im Dezember ein Zweitligaspiel auf den Azoren. Danach ist familienbedingt noch alles offen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, irgendwann mal ein weiteres Buch in ähnlichem Format in Angriff zu nehmen. Aber nur dann, wenn ich das drückende Gefühl hätte, wirklich etwas wesentlich neues und interessantes erzählen zu können.
Welche Stadien oder auch Regionen willst Du unbedingt noch bereisen?
Reizvoll fände ich vor allem die Stadien in Bolivien und Peru, die jeweils über 4.000 Meter über NN liegen. In Etappen nach und nach durch Asien zu hoppen, bis irgendwann China oder Japan erreicht sind, halte ich im Moment am ehesten realisierbar. Mit Teheran oder Volgograd hab ich ja schon zwei östliche Ausgangspunkte vorgelegt. Und nicht zu vergessen: In der UEFA fehlen mir noch acht Länderpunkte.
Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?
Ich bin ja Realist genug um zu verstehen, dass Angebot und Nachfrage den Markt und die Preise bestimmen und das Internet hat sein übriges dazu getan. Doch der run auf Eintrittskarten, insbesondere auf internationale Topspiele, ist in letzter Zeit für meinen Geschmack zu krass geworden. Von den Preissteigerungen ganz zu schweigen. 1987 war es recht einfach, für umgerechnet sieben Euro an ein Ticket für das Endspiel der Landesmeister in Wien – Bayern gegen Porto – zu kommen. Beim ‚Finale dahoam‘ 2012 standen 17.500 Karten weit über einer Millionen echter Anfragen gegenüber. Seit dieser Saison hagelt es für mich trotz über 20-jähriger Vereinsmitgliedschaft beim FC Bayern ständig nur noch Absagen für Ticketanfragen. Hier werden wohl die frischen Neuanmeldungen unter den über 220.000 Mitgliedern bevorzugt, um sie zunächst etwas bei Laune zu halten, damit die Verkaufszahlen bei den Fanartikeln nochmals getoppt werden können. Wirtschaftlich durchaus nachvollziehbar, aber in letzter Konsequenz für mich als langjährigen Fan sehr traurig. Einerseits genieße ich den sportlichen Erfolg meines Vereins, andererseits sorgt genau dieser Erfolg dafür, dass ich kaum noch live deren Spiele im Stadion sehen kann.
Welche anderen Magazine und Bücher würdest Du empfehlen?
Ich habe ‚11Freunde‘ abonniert und von meinen letzten Fußballbüchern sind mir besonders ‚Eine Reise dorthin, wo der Osten schon wieder Westen ist‘ von Martin Czikowski und der Roman ‚Der Traumkicker‘ von Hernán Rivera Letelier positiv in Erinnerung geblieben.
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