In der zurückliegenden Woche erreichte mit dem Osjecko Informer ein besonderes Groundhoppingheft die Lagerräumlichkeiten. Autor Dirk verbrachte nämlich vier Monate im kroatischen Osijek und brach von dort zu seinen Fußballreisen auf der Balkanhalbinsel auf. Um mehr über den Schreiberling und sein Heft zu erfahren, wurde in den vergangenen Tagen die Möglichkeit genutzt, ihm einige Fragen zu stellen.
Hallo Dirk, der Osjecko Informer hat die Lagerräumlichkeiten erreicht. Erkläre doch bitte einmal dem Leser, was diesen in Deinem Heft erwartet.
Der Osjecko Informer ähnelt einem Roadbook meines Auslandssemesters im kroatischen Osijek. Wenn man dort umzingelt von Serbien, Ungarn und Bosnien ist, dürfte es natürlich naheliegend sein, dass ein oder andere Spiel in der Region zu besuchen. So sind insgesamt 27 Fußballspiele und ein Basketballspiel zusammengekommen.
In einem Punkt hebt sich mein Heft etwas von den anderen Groundhopping Zines ab, da ich über mehrere Regionen aus politischen, gesellschaftlichen und geschichtlichen Blickwinkeln berichte. Ich denke, dass damit vor allem ‚Balkan-Einsteiger‘ sich ein ganz gutes Bild über die Komplexität der Region machen können. Weiterhin kommen Graffitifans auf ihre Kosten und ein Highlight dürfte ein sechsseitiges Interview mit der Kohorta Osijek sein, welche übrigens Ende April ihr 30-jähriges Bestehen feiern werden.
Wie tief bist Du eigentlich in den vier Monaten in die kroatischen Fanszenen eingetaucht?
Durch etwas Glück konnte ich gleich an meinem ersten Wochenende in Osijek die dortige Fanszene kennenlernen. In dieser Zeit habe ich natürlich extrem viel über die Mentalität der Fußballfans und die Gruppe gelernt. Da ich auch Auswärtsspiele mit der Kohorta bestreiten durfte, konnte ich natürlich super Eindrücke über das Leben der Ultras in Kroatien sammeln. Über die kroatische Fanszene im Allgemeinen und die verschiedenen Gruppen im speziellen wurde natürlich auch viel gesprochen, Berührungspunkte zu anderen Gruppen gab es aber für mich nicht.
Worin bestehen für Dich die größten Unterschiede zwischen der Fußballkultur hier in Deutschland und auf dem Balkan?
Der in einem Gespräch aufgenommene Satz beschreibt diesen Unterschied für mich am besten: „Hier auf dem Balkan passieren viele Dinge spontan, ob im alltäglichen Leben oder beim Fußball.“ Das beschreibt es für mich am passendsten. Herrscht bei uns ein hoher Grad an Organisiertheit, vor allem in den Ultragruppen, wird es auf dem Balkan alles lockerer gesehen. Dort bezeichnest du dich z.B. als Bad Blue Boy, wenn du auf der gleichen Tribüne stehst. Die Gruppen sind nicht so verschlossen wie bei uns. Ein weiterer großer Unterschied sind die Zuschauerzahlen, die leider auf Grund von Korruption und Misswirtschaft sehr gering sind.
Welche Fanszenen haben Dich bisher nachhaltig beeindruckt?
Da ich in Osijek gewohnt habe, habe ich natürlich die Fanszene von NK Osijek seitdem immer auf den Schirm. Sehr beeindruckt haben mich auch die Fans vom FK Zemun aus Serbien. Abgesehen davon, dass ihre Fackeln mir um die Ohren geflogen sind, haben sie beim Spiel gegen OFK Belgrad einen absolut wahnsinnigen Auftritt hingelegt. Mich beeindruckt wie sie auf die großen Nachbarn von Roter Stern und Partizan scheißen und ihr Ding durchziehen.
Bist Du aktuell wieder viel unterwegs und wenn ja, in welchen Regionen?
Nein, im Moment bin ich in Sachen Groundhopping gar nicht unterwegs. Wie Ihr vermutlich alle mitbekommen habt, geht es meinem Herzensverein FC Rot-Weiß Erfurt im Moment alles andere als Gut und somit haben für mich die Spielbesuche absolute Priorität. Mit 300 anderen Verrückten am Dienstag in Unterhaching zu sein, trotz Insolvenz, Abstieg und sportlicher Tristesse gibt mir und den anderen im Moment mehr Kraft als alles andere in dieser schwierigen Situation. Mit der Teilnahme an der Regionalliga Nordost kommen aber wieder viele neue Gegner und damit auch das ein oder andere neue Stadion auf die Liste. Achja, ich habe bei einem Gewinnspiel eine Interrail Reise gewonnen, die wird natürlich wahrgenommen und mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit auch mit Fußball in Verbindung gebracht.
Willst Du eigentlich künftig weitere Hefte herausgeben und arbeitest Du eventuell bereits an neuem Lesestoff?
Man soll ja bekanntlich niemals nie sagen, aber geplant ist es nicht. Da eine so hohe Ansammlung an Spielen und Erlebnissen in so kurzer Zeit vermutlich nicht wiederkommt, wird es auch kein weiteres Heft geben. Als Gastautor habe ich einzelne Berichte immer mal dem ‚Kick Off‘ aus Erfurt beigesteuert, was auch in Zukunft eher passieren wird als ein eigenes Heft.
Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?
Auch wenn es mich als Anhänger eines Dritt- bzw. zukünftigen Viertligisten niemals betreffen wird, würde eine Reform der Champions League gut tun. Meiner Meinung nach sollten wie früher nur die Meister teilnehmen dürfen und nicht wie heute, der vierte aus der Bundesliga. Mit dieser Änderung würde man vielen Fußballverbänden und Vereinen aus Süd-/Osteuropa helfen wieder auf die Beine zu kommen. Es kann nicht sein, dass der Meister aus Montenegro eine Qualifikation spielen muss und in anderen Ländern der Dritte direkt gesetzt ist. So wird das Geld immer nur in den reichen Ländern hin und her gereicht.
Welche anderen Magazine würdest Du empfehlen und warum? Gibt es vielleicht auch Bücher zum Thema, die Du gerne gelesen hast?
Allgemein bin ich ein großer Fan der Ultra Fanzines, wie Blickfang Ultra, 45 Grad oder Erlebnis Fußball, da man in diesen Heften ein sehr breites Spektrum an Themen vorfindet. Hefte, auf die Fans aus anderen Ländern sehr neidisch zu uns rüberschauen. Wir sollten diese also durch zahlreiches erwerben bewahren! Zum ersten Mal bin ich vor kurzem auf das ‚Zeitspiel‘ gestoßen und kann da auch eine absolute Leseempfehlung aussprechen. Schon etwas älter, aber für Leute die den Balkan verstehen wollen, ist das Buch ‚Balkan-Mafia‘ von Norbert Mappes-Niediek ein absolutes Muss.
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Tags: Balkan, Fanszene, Groundhopping
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