Walther Bensemanns Fußball-Glossen
Eine Rezension von Frank Willmann
Man will es nicht glauben, der apathische und biedere Kicker war vor achtzig Jahren mal eine großartige Fußballzeitschrift. Damals hieß der Chef noch Walther Bensemann, er schenkte dem Blatt eine streitbare Feder und legte sich mit eitlen Fußballverbandsgecken und nationalistischen Politikern gleichermaßen an. Bensemann kam von der edlen Schreibkunst und verwässerte seine Spielberichte keineswegs durch sportjournalistisches Mittelmass:
„Vor dem Kampf. Schon wieder Berlin! Diesmal nicht, um die noch immer unerreichten Ballkünste der andern zu bewundern, sondern um dem Finale der deutschen Punktmalerei beizuwohnen. Wird den Wasserkantigen das neue Exempel wieder gelingen? Zu allen Tages- und Nachtzeiten – nein!!! Was Jockey für ein scharfes Auge und für einen munteren Blick sein eigen nennt! Allein man darf nicht vergessen, dass der 1.F.C. noch am Freundschaftsspiel gegen Eintracht laboriert: Gott schütze mich vor meinen Freunden, denkt Herr Hoffmann, der Hidalgo; der Tanz um das goldene Kalb ist nicht so einfach. Auch Sutor soll noch nicht kampffähig sein. Solche Handicaps wiegen schwer am Tage der Entscheidung.“
Wenn das nicht die hohe Fünf der Sportberichterstattung über ein Spiel um die Deutsche Meisterschaft (1922) ist, weiß ich auch nicht weiter! Bensemann war Jude, mit der Machtergreifung der Nazis verschwand seine Stimme aus der Presselandschaft. Der Kicker ließ sich gleichschalten, Nazipack übernahmen den Karren und Bensemann geriet in Vergessenheit.
Es waren natürlich nicht die aktuellen Kickerlümmel, die Bensemann aus der Gruft holten. Auch beim altbackenen DFB wusste bis vor kurzem keiner, was Bensemann für die Anfänge des deutschen Fußballs war. Bernd M. Beyer, dem Herausgeber haben wir für diese Tat zu danken. Um so tragischer, dass eine Pfeife wie Karl Heinz Heimann (Herausgeber Kicker) ein Vorwort schreiben durfte, dessen Gepinsel vom brillanten Stil Bensemanns Lichtjahre entfernt ist.
Wer mehr darüber erfahren möchte, wie der Fußball dank Bensemann in Deutschland das Laufen lernte, dem sei das Buch wärmstens anempfohlen.
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