In der vergangenen Woche konnten wir mit der Erstausgabe des Schwaben Express nicht nur ein neues Heft in Druck geben, sondern auch die Druckerei machte auf Express und so hielten der Herausgeber Tobias Ley und wir das Magazin bereits am Freitag in unseren Händen. Für sein Heft bereiste der Autor unter anderem Kroatien, Montenegro, Serbien, Bosnien, die Schweiz, die Slowakei, Slowenien und Tschechien. Wie es zu dem Heft kam und um was es in diesem geht, dazu stand Ley uns nun Rede und Antwort.
Tobias, der Schwaben Express entstand aus einer Herauslösung aus dem Stuttgarter Express. Wie kam es zur Trennung und wird es mit dem Stuttgarter Express trotzdem weitergehen?
Nein, es wird definitiv keinen Stuttgarter Express mehr geben. Wir haben dieses Projekt im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst und uns entschieden, jeweils neue Hefte zu gründen. Der Grund dafür war, dass wir verschiedene Vorstellungen hatten, wie ein Fanzine zu produzieren ist. Die Aussicht auf das Zerbrechen einer langjährigen Freundschaft ließ nur den Schritt zu, getrennte Wege zu gehen. Beim Schwaben Express werde ich auch in Zukunft als Herausgeber tätig sein, nur werden in den folgenden Heften auch wieder Berichte von mehreren Schreibern enthalten sein.
Was erwartet den Leser im ersten Teil des Schwaben Express?
Den Leser erwarten zahlreiche interessante Berichte aus nah und fern. Dabei ist egal, ob es sich um ein Spiel der Kreisklasse oder um ein Bundesligaspiel des VfB handelt. Die Sparte an besuchten Spielen geht von einem Besuch bei Chemie Leipzig bis hin zu einem Erstligakick in Montenegro. Insgesamt wurde versucht, auf die Kritik, die es zu Zeiten des Stuttgarter Expresses gab, einzugehen und das Heft grundlegend zu verbessern. Die Berichte sind länger und ausführlicher geworden und gehen mehr auf das Geschehene ein. Hinzukommt ausführliches Bildmaterial, das jeden einzelnen Bericht unterstützt. Das alles wurde Hochglanz in Farbe gedruckt. Es wurde/wird versucht, vom Grauen-Maus-Image des Fanzinemarktes wegzukommen. Ich hoffe das gelingt. Im nächsten Heft, das mit Hochdruck produziert wird, befinden sich schon wieder ein paar Neuerungen, die den Schwaben Express noch besser machen sollen. Dazu wäre es auch hilfreich, viel produktive Kritik zu bekommen. Wenn jemand etwas gefällt oder auch nicht, einfach eine E-Mail schreiben und nicht in irgendwelchen Internetforen mit so Klassikersätzen wie: „ich find den Express blöd, weil er blöd ist“, zu glänzen. Gut man muss sich auch eingestehen, dass wir besonders mit den ersten zwei Ausgaben des Stuttgarter Expresses uns nicht unbedingt einen Gefallen getan haben. Jeder durfte mitschreiben und seinen geistigen Dünnpfiff ungefiltert, in manchen Fällen sogar unkorrigiert, in den Druck geben. Da schallte natürlich ein nicht gerade positives Echo durch das deutsche Fanzinelager. Aber diese Fehler wurden erkannt und behoben. Besonders bei den letzten von mir produzierten Heften habe ich darauf geachtet, alles stetig zu verbessern. Dies wird sich auch in den nächsten Heften so fortsetzen. Berichte und grafische Elemente werden von Ausgabe zu Ausgabe optimiert. Ich hoffe, dass diese Aussicht nun viele Leute neugierig gemacht hat und mir mit dem Kauf der nächsten Erscheinungen des Schwaben Expresses ihr Vertrauen schenken.
Welche Touren der vergangen Monate waren für Dich die interessantesten?
In den letzten Monaten gab es für mich einige interessante Touren. Es gab mehrere Touren durch Österreich und die umliegenden Länder, da ich mit dem ÖBB-Sommerticket durch die Prärie gondelte. Dabei war ganz klarer Höhepunkt der Besuch der Partie Maribor gegen Glasgow Rangers. In einem packenden Spiel besiegte Maribor, durch einen Treffer in der 90. Minute, den Favoriten von der Insel. Das Publikum war total am Ausrasten nach diesem Treffer. Ein weiteres interessantes Spiel war das sogenannte Hassspiel in der Slowakei von Bratislava gegen Trnava. Das war ein echter Reinfall. Ich hatte schon so viele Geschichten über diese Partie gehört, deshalb entschloss ich mich zu einem 30-Stunden-Trip, nur zu diesem Kick. Gelohnt hat es sich sicher nicht, aber ich will jetzt nicht zu viel vorwegnehmen, ausführlicheres zu den Spielen gibt es dann in einer der nächsten Ausgaben. Die absoluten Highlights des Sommers waren aber Touren nach Frankreich, Finnland und auf den Balkan. Zwar lief dabei bei weitem nicht alles wie geplant, aber es war besonders interessant, da man im Vergleich sehen konnte, wie unterschiedlich doch Europa und sein Fußball ist. Herausragende, fantechnisch gute Spiele waren: FK Sarajevo gegen Zenica, NK Travnik gegen Borac Banja Luka und Montpellier gegen OGC Nice. Bei allen genannten Spielen war richtig Feuer drin. In Travnik wurde skurrilerweise das Spiel zur Halbzeit abgebrochen, weil der Schiri in den Katakomben attackiert wurde. In Finnland war es schwer, Vereine zu finden, die aktive Fans vorzuweisen hatten. Trotzdem war eine Tour geplant, die das wenige, das dort vorhanden ist, verbinden sollte. Dummerweise wurde kurz nach der Buchung der Flüge und des Hotels Tampere United vom Verband ausgeschlossen und nochmals ein neuer Spielplan gemacht. Dieser Spielplan passte so gar nicht ins Konzept, da das nächste Erstligaspiel Hunderte von Kilometer weit weg war. Trotzdem wurde das Beste aus dieser Situation gemacht und so entwickelte sich eine unvergessliche Tour.
Welche Region würdest Du gern einmal bereisen und warum?
Auf meiner Liste weit oben steht die Europa-Komplettierung. Aber es wurden so gut wie alle leicht zu erreichenden Länder schon gekreuzt und nun warten so kostspielige und aufwändige Reiseziele wie die Färöer-Inseln, Island, Weißrussland oder auch Georgien auf einen Besuch. Aber ich bin guter Dinge, diese auch in einiger Zeit unter ‚E‘ wie erledigt ablegen zu können. Eine weitere Region, die mich sehr reizt, ist Südamerika. Wenn man die Bilder und Videos anschaut, die im Netz kursieren und Fanzines liest, die sich mit den Gegebenheiten dort befassen, kann man nur zu dem Entschluss kommen, diesen Fanatismus, den die Leute dort für Fußball entwickeln, einmal mitzuerleben.
Welchen Fanszenen, außer natürlich der eigenen, hat Dich in den vergangen Jahren nachhaltig beeindruckt?
Es gibt mehrere Fanszenen in Europa, für die ich in den letzten Jahren schwärmte. Die Erste war wohl die von Olympique Marseille. Nach meinem ersten Besuch im Jahr 2006 war ich fasziniert von den zwei traditionsträchtigen Kurven. So stand ich völlig baff da, lauschte den Klängen und war überwältigt von den Massen an Ultras. Bei einem zweiten Besuch in diesem Jahr musste ich aber leider feststellen, dass das von mir erwartete Bild nicht mehr vorzufinden war. Der Support war bei weitem nicht so laut und fanatisch wie bei meinem ersten Besuch. Ob das Ganze dort einfach verflacht ist oder auch die Szene unter den französischen Repressionen leidet, ist mir nicht bekannt, dafür bin ich auch einfach zu weit weg vom Stade Velodrome, um das beurteilen zu können. Was mich in den vergangenen Jahren auch nachhaltig beeindruckt hat, ist das Verhalten der polnischen Fußballfans. Dort weiß jeder, was es bedeutet den Schal eines Vereins zu tragen. Ein Beispiel das ich mal mit den eigenen Augen sehen konnte, war in der Straßenbahn in Krakow. Wir saßen mit drei jungen Fans des Clubs Wisla Krakow in der Straßenbahn und waren auf dem Weg zum Wisla Stadion. Es war sehr offensichtlich, dass sie nicht zu den aktiven Fans gehörten, sondern einfach – wahrscheinlich von der Haupttribüne – zu dritt das Spiel anschauen wollten. Trotzdem holten sie ihre Schals erst am Stadion aus ihren Jackentaschen, um sich und ihr Material keinem Angriff von Fans der Stadtrivalen auszusetzen. Da weiß jeder, wie er sich zu benehmen hat, wenn er ins Stadion geht. In Deutschland leider undenkbar. Hierzulande grölt und pöbelt auf dem Weg zum Stadion jeder noch so Halbstarke, wie es ihm gefällt und ist dann ganz verdutzt, wenn er dafür mal eine eingeschenkt bekommt.
Was fasziniert Dich daran, neben europäischen Topspielen auch unterklassige Duelle zu besuchen?
Das Flair. Ich liebe Fußball. Es gibt an einem Sonntagmittag doch nichts Besseres, als 22 nicht sehr athletisch wirkende Männer über den Fußballplatz stolpern zu sehen. Dass man sich dabei auch öfters sagt „Mensch, das hätte ich aber besser hinbekommen“, ist doch klar. Das Szenario perfekt machen die Rentner, die bei jedem unterklassigem Kick – egal bei welchem Wetter – mit Regenschirm bruddelnd an der Spielfeldbegrenzung stehen. Wenn man sich dann noch über den Tabellenstand der jeweiligen Kreis- oder Bezirksliga informiert, kann das Gekicke zu einer richtig spannenden Angelegenheit werden. Ich schaue mir gerne unterklassige Spiele in der Region an. Diese kommen aber nicht alles ins Heft, ich will den geneigten Leser nicht im Zwei-Seiten-Takt mit unterklassiger Grütze langweilen. Hinzukommt, dass das Heft in ganz Deutschland vertrieben wird und wer interessiert sich in Hamburg, Berlin oder Dortmund schon für den Kreisliga A-Schlager TB Untertürkheim – PSV Stuttgart vor 70 Zuschauern in einem Ground, der außer zwei Stufen und einem Kassenhäusle nichts zu bieten hat. Im Ausland haben die Spiele in unteren Ligen einen besonderen Reiz. Wenn man da z.B. Tschechien nimmt. Bei der sensationellen Anstoßzeit um 10.15 Uhr wird mit leckerem Bier und einer geschmacklich einzigartigen Wurst das beste Frühstück serviert, das man auf der Welt bekommen kann.
Wie sieht für dich das perfekte Stadion aus?
Das ist durchaus eine schwere Frage, denn gibt es das perfekte Stadion überhaupt? Muss man sich da nicht zwischen verschiedenen Gegebenheiten entscheiden? Steht da nicht alt und verratzt den neuen Bauwerken entgegen. Ich würde da einen Unterschied machen zwischen einem Fußballfan und einem Stadionfan. Für einen Fußballfan ist ganz klar die Sicht aufs Spielfeld das Wichtigste. Das perfekte Stadion ist z.B. unser neues Neckarstadion. Man hat von jedem Platz aus eine sehr gute Sicht aufs Spielfeld. Als Stadionfan bzw. Groundhopper ist die Sicht aufs Spielgeschehen eher zweitrangig. Wichtig ist eine markante Tribüne oder ein Platz, der eine Besonderheit aufzuweisen hat. Für mich ist zum Beispiel die Tribüne des tschechischen Drittligisten MSK Breclav so ein einzigartiges Bauwerk. Eine ca. 15 Meter breite Tribüne mit Überdachung und zwei Rängen.
Das Stadion des tschechischen Drittligisten MSK Breclav.
Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das und warum?
Zum einen wären das die Anstoßzeiten. Die müssen ganz klar Fangerechter werden. DFB und DFL sollten sich, anstatt für die Fernsehanstalten den Spieltag immer mehr zu zerpflücken, lieber mal überlegen, wie man die Leute dazu bringt, sich auch unterklassige Spiel anzuschauen. Das ist ein ganz großes Problem bei uns in Deutschland. Die Verantwortlichen feiern sich Jahr um Jahr wenn die Bundesliga mal wieder einen neuen Zuschauerrekord erzielt, fühlen sich aber im Gegenzug nicht dafür verantwortlich, etwas gegen den Zuschauerschwund in den unteren Ligen zu unternehmen. Das andere wäre der Umgang mit den aktiven Fans. Sowohl Polizei als auch Vereinsverantwortliche behandeln uns Fans zum Teil wie Menschen zweiter Klasse. Wenn man bedenkt, dass wir Fans es mit unseren Emotionen sind, die diesen Sport so einzigartig machen. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieser Fußballboom aufhört und die Kunden endlich abwandern zu Sportarten wie Tennis, Handball oder Basketball. Dann können die Offiziellen die wahren Fans nicht mehr so behandeln, als ob sie nur geduldet werden, wenn sie sich dem Kundenprofil anpassen, keinen Ärger machen und fleißig bezahlen.
Welche anderen Magazine würdest Du empfehlen und warum? Gibt es vielleicht auch Bücher zum Thema, die Du gerne gelesen hast?
Als erstes Mal muss ich sagen, dass ich jedes Fanzine nur empfehlen kann, denn hinter jedem noch so kleinen Heft steckt eine Menge Arbeit, in das die Herausgeber sehr viel Zeit investiert haben. Insofern hat es jedes Fanzine verdient, angeschaut zu werden, egal ob es nun schwarz-weiß, ohne Bilder, mit einer Auflage von 100 Exemplaren oder voll in Farbe mit einer Auflage von 2.000 Exemplaren erscheint. Hinter jedem Heft steckt eine Idee, die eine oder mehrere Personen versuchen umzusetzen. Das gelingt den einen mehr, den anderen weniger, aber im Endeffekt sollte man den Leuten für ihr erschaffenes Werk Respekt zollen, denn vom geschrieben Erlebnisbericht bis zum gedruckten Fanzine ist es ein langer Weg. Es freut mich sehr, dass ihr vom NOFB-Shop diesen Heften eine Plattform bietet, um sich anzupreisen. Das ist sehr hilfreich und erleichtert die stressige Arbeit rund um das selbst produzierte Heft.
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten und viel Erfolg mit Deinem Heft.
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